
Jugendkultur:
"Bravo"-Starschnitt mit eigener Ausstellung
Geduld war gefragt - und Humor: Wer sein Idol in Lebensgröße an der Wand haben wollte, sammelte über viele Ausgaben hinweg Starschnitt-Teile aus "Bravo". Dem Stück Jugendkultur aus dem Magazin ist in Lüneburg eine Ausstellung gewidmet.

Foto: Bauer Media/Bravo.de
Geduld war gefragt - und Humor: Wer sein Idol in Lebensgröße an der Wand haben wollte, sammelte über viele Ausgaben hinweg Starschnitt-Teile aus "Bravo". Dem Stück Jugendkultur aus dem Magazin ist in Lüneburg nun eine Ausstellung gewidmet. Bis 19. März können nostalgisch gestimmte vor 1980 Geborene alle ihre Starschnitte noch mal sehen. Und Junge darüber staunen, wie man seinen Stars ohne Facebook und Snapchat einst näher zu kommen suchte. Denn 1992 war Schluss mit dem Puzzleposter.
Unregelmäßige Leser erinnern sich an die teilweise unfreiwillig komischen Momente: Wenn man dann plötzlich ein Poster in den Händen hielt, das lediglich ein Knie in Jeans oder eine Schulter im T-Shirt zeigte. Aber für Fans waren Starschnitte das Größte.
1956 kam das Jugendmagazin "Bravo" auf den Markt und brachte der Nachkriegsjugend die kanllbunte Unterhaltungswelt nahe. Den Starschnitt gab es ab 1959. Brigitte Bardot in Netzstrümpfen und schwarzem Body.
"Gegenpol zum röhrenden Hirsch"
"Damals war 'Bravo' revolutionär", sagt Carsten Junge, nennt das Magazin den "Gegenpol zum röhrenden Hirsch im Wohnzimmer der Eltern". Junge ist Jahrgang 1959, heute ist der langjährige "Bravo"-Leser Geschäftsführer einer Sparkassenstiftung in Lüneburg - und dort hat er für das Großpuzzle eine ganze Schau organisiert. "Noch nie hat sich jemand umfassend dem Thema gewidmet", sagt Kuratorin Marie-Lotta Karcher. "Wir sind die ersten, die alle Starschnitte zeigen."
Alle - das sind rund 120. Auf die Bardot folgten zum Ausschneiden und Aufkleben Peter Kraus und Conny Froboess, Elvis Presley und Freddy Quinn. Es blieb über die Jahrzehnte eine bunte Mischung der Stars vor allem aus Musik, Film und Fernsehen. "Nur Pierre Brice wurde dreimal gezeigt - immer als Winnetou", sagt Junge.
Er hatte die Idee zu der Ausstellung, als er beim Aufräumen des Dachboden seinen alten Karton mit seinen Starschnitten fand. Vollständig waren sie nicht. "Bei Suzi Quatro fehlten ein Knie und der Busen", sagt Carsten Junge, noch immer ein wenig bekümmert.
In der Ausstellung sind Faksimiles zu sehen. "Viele Originale wären heute unbezahlbar", so Junge.
Stars nah und lebensgroß neben dem Bett - statt auf Instagram
Heute ist der lebensgroße Star an der Wand aber auch völlig passé. "Heute kann man den Stars auf anderen Wegen nahe sein, auch viel schneller und unmittelbarer als früher. Durch Apps kann man im digitalen Zeitalter seinen Stars praktisch live folgen", erklärt Kuratorin Marie-Lotta Karcher. Die Kulturwissenschaftlerin ist Jahrgang 1991, ein Jahr später kam das Aus für den Starschnitt als regelmäßige Beilage.
Beendet vom damaligen "Bravo"-Chefredakteur Gerald Büchelmaier. "Die Jugend hat sich einfach verändert - sie will alles, und sie will es gleich", sagte er damals. "Das Warten war grauenvoll", bestätigt Carsten Junge heute. Monate konnte es dauern, bis alle Teile beieinander waren. Am längsten mussten die Fans von November 1965 bis August 1966 für den Starschnitt der Beatles warten, sammeln, schnippeln und kleben: Es waren 44 Teile in 39 Heften.
Im Schnitt bestanden die Schnippelposter nach Verlagszahlen aus 19 Teilen. Rekordhalter ist die Band Village People ("Y.M.C.A."). Fans mussten für die 53 Teile insgesamt 25 "Bravo"-Hefte kaufen. 1968 gab es sogar einen Starschnitt der Ponderosa-Ranch aus der Kultserie "Bonanza".
Schlusslicht Jason Priestley
1992 kam mit US-Serienstar Jason Priestley ("Beverly Hills, 90210") das Aus als regelmäßige Beilage. Später gab es vereinzelte Wiederbelebungen, etwa mit Daniel Küblböck, Tokio Hotel oder Michael "Bully" Herbig. Einige Stars schafften es, immerhin zwei Starschnitte zu bekommen: Robert Fuller (60er-Jahre-Schauspieler aus der Fernsehserie "Am Fuß der Blauen Berge"), Musiker Cliff Richard, Sängerin Manuela, Schlagersänger Ricky Shane, Popstaar Shaun Cassidy, Elvis Presley, die Beatles, 80er-Jahre-Rock'n'Roller Shakin' Stevens, NDW-Königin Nena und Popsternchen Britney Spears.
"Bravo", einst mit Auflagen im siebenstelligen Bereich unterwegs, erreicht heute nur noch gut 120.000 Auflage. Der Bauer-Verlag verweist dabei auf moderne Kommunikationswege jenseits der gedruckten Hefte. "'Bravo' ist die stärkste deutsche Printmedien-Marke in den sozialen Medien und hat die mit Abstand meisten Follower in den für die junge Zielgruppe relevanten Kanälen wie Instagram, Snapchat, Musical.ly, Twitter und WhatsApp", sagt eine Sprecherin der Bauer Media Group in Hamburg.
Präsentiert wird die Schau mit rund 120 Faksimiles bis zum 19. März in der Kulturbäckerei, einem Lüneburger Kunstzentrum und Non-Profit-Projekt. Der Eintritt ist frei. Eindrücke in Bildern liefert die "Kreiszeitung" online. (W&V/dpa)