"Bild" widerspricht Wulffs Darstellung
In seinem Interview nimmt Christian Wulff zwar Stellung zu seinen Anrufen in der Springer-Chefetage. "Bild" widerspricht den zentralen Aussagen des Bundespräsidenten. Überhaupt nimmt die Presse Wulffs Reue nicht ernst...
Die "Bild"-Zeitung hat der Darstellung von Bundespräsident Christian Wulff widersprochen, er habe mit seinem Anruf beim Chefredakteur Kai Diekmann eine Berichterstattung zu der Kredit-Affäre nicht verhindern wollen. "Das haben wir damals deutlich anders wahrgenommen. Es war ein Anruf, der ganz klar das Ziel hatte, diese Berichterstattung zu unterbinden", so Nikolaus Blome, Leiter des Hauptstadt-Büros der "Bild"-Zeitung. Die „Bild"-Zeitung will die umstrittenen Äußerungen von Bundespräsident Christian Wulff auf der Mailbox von Diekmann nun veröffentlichen. Diekmann hat den Bundespräsidenten deshalb am Donnerstag schriftlich gebeten, diesem Schritt zuzustimmen.
Wulff hatte sich am Mittwochabend in einem Interview zu der seit Wochen anhaltenden Affäre geäußert. Bezüglich seines Anrufs bei Kai Diekmann sagte er, dies sei ein "schwerer Fehler" gewesen, der ihm "sehr leidtue". Allerdings sei es ihm nicht um die Verhinderung, sondern lediglich um eine Verschiebung des geplanten Artikels gegangen. Nikolaus Blome erklärte dazu im Deutschlandfunk: "Klar war das Ziel dieses Anrufs, die Absicht und das Motiv - nämlich: Die Berichterstattung, diesen ersten Breaking-Bericht über die Finanzierung seines privaten Hauses zu unterbinden." Neben Kai Diekmann soll Wulff auch beim Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner und der Verleger-Witwe Friede Springer angerufen haben.
Wulffs – mehr oder weniger gelungenes - Gespräch mit Ulrich Deppendorf und Bettina Schausten haben 8,04 Millionen Zuschauer ab drei Jahren in der ARD verfolgt, weitere 3,45 Milliionen Gesamtzuschauer haben sich im ZDF informiert. Die Presse indes scheint dem Präsidenten wenig gewogen; Verleger und Privatsender haen schon im Vorfeld am Mittwoch moniert, dass sie beim ersten Interview außen vor geblieben sind. Die gewohnt bissige "taz" schießt sich etwa auf die Aussagen ein, dass sich der Bundespräsident von seinem Amt überrumpelt fühle und dass ihm die Medien seine Privatheit rauben würden. Sie titel: "Wulff tut sich echt leid". Die "Financial Times Deutschland" schickt dem Gespräch die Headline "Ein Schaf im Wulffspelz" hinterher.
Interessant: Gerade jetzt startet die Axel Springer Akademie, Springers Journalistenschule, ein Online-Magazin zur Pressefreiheit in Deutschland. Auf der Internetseite 20zwoelf.de gehen 20 junge Journalisten unter dem Motto "Schreib es laut!" der Frage nach, wie es im Jahr 2012 um die Freiheit der Medien in Deutschland bestellt ist. Auch die Grenzen der Pressefreiheit werden auf der Webseite diskutiert, etwa in einem exklusiven Streitgespräch zwischen "Bild"-Chefredakteur Diekmann und dem Medien-Anwalt Christian Schertz.
kas/ps