Datenschutz-Probleme:
Ist "Zoom Bombing" ein krimineller Tatbestand?
Nachdem sich ein Journalist der Financial Times in Online-Meetings eines Konkurrenzverlags eingeschlichen hat, stellt sich jetzt die Frage nach der rechtlichen Bewertung einer solchen Aktion.
Das war ein kurzes Zwischenspiel: Erst im Januar war Mark Di Stefano als Reporter für Medien und Technologie von Buzzfeed zur Financial Times gewechselt. Jetzt meldete er über seinen Twitter-Account, dass er nicht mehr für das Wirtschaftsblatt arbeite. Von seinen Aufgaben dort war er bereits vor einigen Tagen entbunden worden.
Wie berichtet, hatte sich Di Stefano Zugang zu Zoom-Konferenzen der Konkurrenzblätter The Independent und The Evening Standard verschafft. Bei den internen Besprechungen mittels der Video-Chat-App ging es um bevorstehende Gehaltskürzungen und Kurzarbeit bei den beiden Titeln infolge der Coronavirus-Pandemie. Der FT-Reporter hatte noch während der Online-Veranstaltung via Twitter über die Sparmaßnahmen des Verlags Independent Digital News and Media berichtet.
Mit dieser Aktion hatte Di Stefano gegen die Compliance-Richtlinien der Financial Times verstoßen. Die FT hat sich offiziell noch nicht zu dem Vorgang geäußert. Der Verlag Independent Digital News and Media wiederum plant offensichtlich keine rechtlichen Schritte gegen Di Stefano oder die Financial Times.
Der Vorgang wirft allerdings eine Reihe rechtlicher Fragen auf. Indem ein Reporter gegen die Compliance-Richtlinien seines Verlags verstößt, kann dies arbeitsrechtliche Konsequenzen haben. Was in diesem Fall auch zur Suspendierung Di Stefanos führte. Doch erhebt sich die Frage, wie die Aktion insgesamt rechtlich zu bewerten ist.
Unterschiedliche Einschätzungen
Der britische Branchendienst Press Gazette hat dazu mehrere Rechtsexperten befragt. Und kaum verwunderlich: Die kommen zu recht unterschiedlichen Einschätzungen.
So erklärte beispielsweise David Banks, Experte für Rechtsfragen im Journalismus, dass es sich um einen Verstoß gegen das britische Gesetz über Computermissbrauch (Computer Misuse Act) handeln könnte. In den USA habe das FBI bereits davor gewarnt, dass es sich beim sogenannten "Zoom Bombing" um einen kriminellen Tatbestand handle. In Großbritannien habe es bislang allerdings keine entsprechenden Warnungen gegeben.
Ein anderer, namentlich nicht genannter Rechtsexperte sieht den Vorgang weniger dramatisch: Sollte Di Stefano den Link zu der Zoom-Konferenz von einem Dritten erhalten haben, sei das Einschleichen wohl eher nicht als krimineller Tatbestand zu werten. Ohnehin stelle sich die Frage, ob ein Online-Meeting mit 100 Teilnehmern überhaupt als "nicht öffentlich" oder "vertraulich" klassifiziert werden könne.
Der Rechtsexperte Matthew Dando wiederum ist der Meinung, dass der britische Computer Misuse Act tatsächlich ein Waffenarsenal biete, um derartige Aktionen strafrechtlich zu verfolgen. Es gebe aber Gründe, daran zu zweifeln, so Dando, dass die Behörden überhaupt Lust verspüren oder über die Ressourcen verfügen, um eine Strafverfolgung auch wirklich in Gang zu setzen.