Streamingtipps:
Familien-Chaos - nicht nur an Weihnachten
Weihnachten steht kurz bevor – und damit auch viel Zeit mit der Familie. Ausnahmslos "besinnlich" ist das Zusammentreffen mit den lieben Verwandten aber meist nicht. Die Protagonisten unserer Streamingtipps der Woche zeigen: Sie sind nicht allein.
Alle Jahre wieder nehmen wir es uns vor: Die Rückkehr in die Heimat soll diese Weihnachten wirklich harmonisch werden. Keine Zankereien, keine Diskussionen, keine Sticheleien sollen den Familienfrieden stören. Doch spätestens beim gemeinsamen Festessen kommt es zur nervlichen Zerreißprobe: Die Eltern können mit dem veganen Menü nichts anfangen und wollen plötzlich besprechen, warum sie sich eigentlich kaum mehr für konservative Positionen begeistern können.
Jetzt bloß nicht aus der Haut fahren, tief durchatmen – und an die Geschichten unserer Streamingtipps denken. Denn neben diesen Familien wirken Ihre Verwandten garantiert wie echte Unschuldslämmer. Mehr Streamingtipps finden Sie im Feed auf Shelfd.com. Und wenn Sie keine Highlights mehr verpassen möchten, dann holen Sie sich die Neustarts von Netflix oder Prime Video direkt in Ihren Kalender. Happy Streaming!
1. Mehr als politischer Dissens am Esstisch: Amerikanisches Idyll
Leihbar bei Amazon
Basierend auf Philip Roths gleichnamigem Roman, der 1998 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde, erzählt Ewan McGregor in seinem Regiedebüt von einer Familie, die das perfekte amerikanische Kleinstadtleben zu führen scheint. Seymour Levov (Ewan McGregor), aufgrund seines guten Aussehens und sportlichen Fähigkeiten während seiner Schulzeit von allen nur „der Schwede“ genannt, scheint das Gute nur so zuzufliegen: Neben der eigenen Firma verfügt er über ein eindrucksvolles Anwesen, seine Frau Dawn (Jennifer Connelly) ist eine ehemalige Schönheitskönigin und Tochter Merry (Dakota Fanning) vervollständigt das familiäre Glück. Doch ganz so einfach ist es nicht: Als Jugendliche beginnt Merry gegen ihre kleinbürgerlichen Eltern zu rebellieren, kritisiert ihren angepassten Lebensstil. Im Zuge des Vietnamkrieges radikalisiert sie sich zunehmend – und verübt schließlich einen Bombenanschlag auf das örtliche Postamt. Der Schein des perfekten Idylls ist dahin und Seymour Levov ist gezwungen, Antworten auf das Chaos um ihn herum zu finden.
2. Kindheitstraumata machen kreativ: Saving Mr. Banks
Bei Netflix verfügbar
Der Film reflektiert die zähen Verhandlungen um die Filmrechte an „Mary Poppins“ zwischen ihrer Schöpferin Pamela Travers (Emma Thompson) und dem Zeichentrickmagnaten Walt Disney (Tom Hanks) in den 1960ern. So weit, so schnöde. Doch das ist nur die Oberfläche, an der sich der Plot bewegt - eigentlich geht es um weitaus mehr: In Rückblenden wird aus der trostlosen Kindheit der Autorin erzählt und schnell wird klar, dass der fiktive „Mr. Banks“ einen Versuch darstellt, den alkoholkranken Vater (Colin Farrell) zu idealisieren, um ihn so in liebevoller Erinnerung bewahren zu können. Auch die Figur „Mary Poppins“ selbst ist autobiographischen Ursprungs, was nicht nur zu extremer Detailversessenheit und ständiger Kritik Travers an Disneys Ideen für eine Filmadaption führt. Gleichzeitig werden die Verhandlungen zum therapeutischen Prozess.
3. Makabre Komik: Six Feet Under – Gestorben wird immer (Staffel 1 – 5)
Bei Sky Ticket verfügbar
Ausgerechnet an Weihnachten wird Familienvater und Bestattungsunternehmer Nathaniel Fischer Sr. (Richard Jenkins) durch einen Verkehrsunfall aus dem Leben gerissen. In seinem Testament hat er verfügt, dass seine Söhne David (Michael C. Hall) und Nate (Peter Krause) den Familienbetrieb gemeinsam weiterführen sollen. Da beide grundverschieden zu sein scheinen – während Nate als sorgenloser Lebemann auftritt, gibt sich David pflichtbewusst, streng und konservativ – sind Spannungen vorprogrammiert. Die gibt es auch im Rest der Familie, beispielsweise zwischen der jüngsten Tochter Claire (Lauren Ambrose) und ihrer Mutter Ruth (Frances Conroy). Über fünf Staffeln hinweg erzählt die mit sieben Emmys und drei Golden Globes ausgezeichnete HBO-Serie von der Selbst- und Sinnsuche der einzelnen Familienmitglieder, die sich verändernde Dynamik zwischen ihnen stets im Blick. Der Ton, in welchem Alan Ball („American Beauty“) die Familiensaga erzählt, variiert dabei zwischen makabrer Komik und tragischer Ernsthaftigkeit.
4. Jeder hat sein eigenes Leben: Der verlorene Sohn
Bei Sky Ticket verfügbar
Jared (Lucas Hedges) lebt mit seinen strenggläubigen Eltern, Marshall (Russell Crowe) und Nancy (Nicole Kidman), im Bible-Belt der USA. Als er ihnen erzählt, dass er sich zu Männern hingezogen fühlt, zwingt ihn sein Vater an einer Konversionstherapie für Homosexuelle teilzunehmen. Basierend auf den Memoiren von Garrard Conley berichtet Joel Edgertons Drama allerdings nicht nur von bis heute praktizierten Umerziehungsmethoden von LGBTQ-Personen, sondern auch von der tiefen Erschütterung Jareds darüber, ausgerechnet von seinen Eltern Ablehnung zu erfahren. Und schließlich auch, wie er darüber hinwegkommt.
5. Es könnte alles noch viel schlimmer sein: Biutiful
Bei Maxdome verfügbar
Das Filmdrama von Meisterregisseur Alejandro González Iñárritu erzählt vom entscheidenden Kampf im Leben Uxbals (Javier Bardem). Nicht so sehr gegen den Prostatakrebs, an dem er unheilbar erkrankt ist. Sondern viel mehr für eine behütete Zukunft seiner beiden kleinen Kinder, Ana und Mateo, nach seinem Tod. Bei seiner manisch-depressiven Ehefrau Marambra (Maricel Álvarez) können sie nicht bleiben, das steht fest. Bislang greift Uxbal jedoch auf kriminelle Methoden zurück, um sich und seine Kinder über Wasser zu halten.
In gewohnt mystisch-melancholischem Stil Iñárritus („Babel“, „The Revenant“) gehalten, mutet das Epos dem Zuschauer fast überwältigend schmerzliche Momente zu – belohnt ihn aber mit einer so kraftvollen Poesie über Leben und Tod, wie sie nur sehr wenige Filme besitzen.
Autorin:
Arabella Wintermayr hat Politikwissenschaft studiert und arbeitet als freie Redakteurin beim Fernsehen. Ihre Leidenschaft gilt Filmen und Serien, die sich an die großen Fragen des Lebens und der Gesellschaft trauen.