Cannes Lions:
Cannes-Bilanz: Gute Stimmung trotz weniger Löwen
Der große Abräumer hat zwar gefehlt, doch einen Abgesang auf die deutsche Kreation anzustimmen wäre falsch. Die W&V-Cannes-Reporter Daniela Strasser und Peter Hammer ziehen Bilanz.
45 Löwen gehen dieses Jahr an die deutschen Teilnehmer bei den Cannes Lions. Davon die meisten in der Kategorie Design (zehn Löwen), gefolgt von Print & Publishing mit sieben deutschen Löwen. Damit haben die deutschen Teilnehmer also insgesamt elf Löwen weniger gewonnen als die diesjährige Cannes-Agentur des Jahres Clemenger BBDO ("Meet Graham") aus Australien. Die meistausgezeichneten deutschen Agenturen sind in der W&V-Auswertung punktgleich DDB und Scholz & Friends, wobei letztere auf mehr Silbermedaillen kommt. Beide haben je einmal Gold gewonnen. Dahinter folgen Grabarz & Partner sowie die beiden ebenfalls punktgleichen Grey und Heimat (siehe Medailllenspiegel unten).
Zum Vergleich: 64 deutsche Cannes-Löwen gab es im Vorjahr, 74 im Jahr 2015. In der Länderwertung belegt Deutschland in diesem Jahr den sechsten Rang.
Von einem historischen Einbruch zu reden oder gar einen Abgesang auf die deutsche Kreation anzustimmen (die sich keinesfalls auf den Gewinn von Cannes-Medaillen beschränkt) wäre falsch. Den deutschen Teilnehmern fehlte in diesem Jahrgang schlichtweg die eine große Arbeit, an der die Jurys nicht vorbeikommen, wie 2015 "Rechts gegen Rechts" oder 2016 die Dot-Braillewatch. Zudem linsten die meisten der 24 Cannes-Jurys mit Argusaugen auf den gesellschaftlichen Mehrwert von Arbeiten, der dazu noch in einem entsprechend prominenten Rahmen eingebunden sein musste. Auch hier hatten es deutsche Arbeiten in der Masse der großen Konkurrenten diesmal schwerer.
Weniger Löwen schmälern den Wert eines Cannes-Gewinns allerdings nicht. So freuten sich diesmal viele auch über Bronze und Silber sowie über Einzelgold. Keine deutsche Agentur konnte mehrere goldene Löwen mit nach Hause nehmen. Vor allem in den zukunftsträchtigeren Kategorien wie Cyber, Mobile, Creative Data, Innovation oder Titanium hatten die Deutschen wenig zu melden.
Die ersten drei Plätze in der Länderwertung gehen an die USA, Großbritannien und Australien. Amerika auf Platz eins ist nicht neu, Großbritannien ist man auf den vorderen Plätzen ebenfalls gewohnt. Australien wurde in den vergangenen Jahren immer stärker. Auf Platz vier folgt in diesem Jahr Brasilien, vor Frankreich und Deutschland.
Im Medaillenspiegel der deutschen Löwengewinner liegt bei den Auftraggebern Volkswagen vorn - mit drei silbernen und fünf bronzenen Löwen. Dahinter folgen der Tagesspiegel und Terre des Femmes. Besieht man die Gesamttabelle, ergibt sich in diesem Jahr eine gesunde Mischung aus großen Markenartiklern und Non-Profit-Organisationen. Social-Kunden dominieren in diesem Jahr nicht.
Die meistdiskutierten Cannes-Themen waren nicht wirklich neu. Die Veranstalter folgen seit Jahren der Devise "höher, schneller, weiter", erhielten 2017 aber erstmals Gegenwind von prominenterer Stelle. Waren es in den Vorjahren einzelne Agenturen, die bei Kreativpreisen pausierten, ist es im kommenden Jahr mit Publicis eines der größten weltumspannenden Werbenetworks. Auch Martin Sorrell, Chef der größten Werbeholding WPP, äußerte Kritik am Festival, will aber bis jetzt keine Konsequenzen ziehen. Wie sich Cannes für die Zukunft aufstellen und die Gemüter beruhigen kann, soll ein Beratungsgremium klären, dem unter anderem Vertreter von Procter & Gamble und weiteren finanzkräftigen Werbungtreibenden angehören.
Ergebnisse dürften auf sich warten lassen, es ist aber davon auszugehen, dass das Festival wenigstens in der einen oder anderen Hinsicht umsteuern wird müssen. Größer, höher, weiter, teurer funktioniert bei den Cannes Lions perspektivisch nur mehr bedingt.
Das andere große Thema war Diversity - in jeder Hinsicht. Und das muss man den Veranstaltern lassen: Sie haben es verstanden, dieses in den Vorträgen und im offiziellen Rahmenprogramm professionell und gut durchzudeklinieren und für Denk- und Themenimpulse zu sorgen.
Das Wichtigste in Cannes fand dieses Jahr jedoch außerhalb des Palais statt. Dort war die Stimmung bei den meisten Veranstaltungen bestens, manche reden sogar von einem legendären Cannes, trotz eines vollen Meeting- und Partyterminkalenders. Aus Deutschland waren mehr Kunden als üblich zu Besuch, die meisten aber ohne offiziellen Festivalpass. Die Wenigsten nahmen wahr, was im Palais außerhalb der Löwenvergabe passierte, insofern gingen auch die prominenten Redner und Hollywood-Besucher teilweise unter.
Mit dem Ende der Cannes Lions geht die diesjährige Festivalsaison in die zweite Halbzeit. Im Herbst folgen unter anderem die LIAs, der Epica Award und das Eurobest-Festival. Zunächst jedoch: Glückwunsch der W&V-Redaktion an alle deutschen Cannes-Gewinner. (ds/ph)
Über eine Woche lang berichtete W&V hier im Liveblog direkt vom Festival in Cannes.
Das ist der Überblick über die diesjährigen Cannes-Sonderpreise:
Agentur des Jahres: Clemenger BBDO, Melbourne
Beste inhabergeführte Agentur: Droga 5, New York
Preis für das Lebenswerk/Lion of St. Mark: David Droga, Gründer von Droga5
Network des Jahres: BBDO Worldwide
Werbe-Holding des Jahres: WPP
Creative Marketer of the Year: Burger King