Zoff und Plagiate beim "Focus"
Die "Focus"-Chefredakteure Wolfram Weimer und Uli Baur streiten weiter um die Ausrichtung des Burda-Blattes. Und die interne Kritik an Weimers Selbst-Plagiaten wächst. W&V Online dokumentiert einige Fundstellen.
Seit April hängt der Segen schief im Hause "Focus". Anlass dürfte unter anderem ein "Zeit"-Interview gewesen sein, das der Chefredakteur Wolfram Weimer ohne seinen Co-Chef Uli Baur gab. Das soll im Verlag sauer aufgestoßen sein. Mit einer Flasche Wein soll Weimer versucht haben, sich bei Baur zu entschuldigen. Überliefert sind Weimers Worte: "Die hat mich einen Monatssalär gekostet.". Doch der Riss dürfte nicht mehr zu kitten gewesen sein.
Weimer und Baur - die beiden entzünden sich offensichtlich an Fragen über die weitere Ausrichtung des Blattes. Während sich Baur für gelernten Nutzwertjournalismus einsetzt, will Weimer das Blatt noch stärker politisch ausrichten. Strategische Fragen zermürben das Chef-Duo. Themen wie die Stärkung des Berliner Büros, die Öffnung des Focus für die weibliche Leserschaft, die systematische Öffnung für so genannte Line-Extensions wie "Focus Medizin" oder "Focus Reise", aber auch die Einführung eines Nachrichtendesks werden an der Arabellastraße kontrovers diskutiert.
Der Machtkampf kommt zur Unzeit für das Blatt, das sich im Verkauf nur dezent erholt. Laut der aktuellen IVW hat der Titel "zum dritten Mal in Folge mit einem Plus im Vergleich zum Vorjahr abgeschlossen" freut sich der Verlag. Es geht um ein Plus von 0,4 Prozent im Gesamtverkauf. Dies ist aber auch der Tatsache geschuldet, dass es im Vorjahreszeitraum, dem zweiten Quartal 2010, keinerlei stützende Marketingaktionen gab. Anders im soeben abgelaufenen Quartal: "Focus" setzte in den vergangenen Monaten immer wieder auf DVD-Beigaben und Werbemaßnahmen.
Und auch im Werbemarkt konnte das Blatt entgegen dem allgemeinen Trend nicht vom Anzeigenaufschwung profitieren. Während zu Jahresbeginn manche Ausgabe um die 30 Prozent brutto an Anzeigenvolumen verlor, sah es zuletzt aber nicht mehr ganz so düster aus: Nielsen weist für das Halbjahr ein Anzeigenminus von 7,4 Prozent brutto aus. Die aktuelle Krisensituation im "Focus"-Management ist Gift für die Gespräche bei den Werbeagenturen. Der neue Geschäftsführer Burkhard Graßmann und Chefredakteur Weimer sind derzeit unterwegs bei den großen Agenturen, um für den Titel zu werben.
Unterdessen ist die positive Aufbruchstimmung vom Juli 2010 mittlerweile verflogen, die Redaktion spart nicht an Kritik. So mancher wundert sich, dass Weimer Texte, die er bereits an anderer Stelle veröffentlicht hat, im "Focus" reycelt. Wie beispielsweise im Text "Der Überflieger" (50/10) über Ex-Verteidigungsminister zu Guttenberg – ein Recycling seiner Laudatio, als der Ex-Verteidigungsminister "Politiker des Jahres 2009" wurde. Ebenfalls mehrfach genutzt: Ein Beitrag aus Weimers Vorgänger-Blatt "Cicero" vom August 2006 erschien erneut in "Focus" 18/11 als "Die Lücke, die Gott lässt." Und: Im Extra-Heft zur Katastrophe in Fukushima brachte Wolfram Weimer in "Focus" die gleiche Zitate-Sammlung, wie sie schon in "Cicero" 2/05 zu lesen war. Auch das Memo "Die spielen Schuldenmonopoly" (51/10) erinnert stark an einen Blog-Beitrag Weimers aus dem Jahr 2008.