Google-Manager Joel Berger, der früher für MTV oder MySpace gewirkt hat und beim Suchmaschinengiganten den Titel „Industry Leader Media & Entertainment“ trägt, sieht Social TV in Deutschland durchaus noch in den Kinderschuhen. Entsprechende Apps würden so wirken wie einst die ersten Smartphones, bevor das iPhone von Apple Einzug gehalten habe. Eine Killerapplikation fehle noch – so Berger, der betont, dass Social TV auf die Marken der Sender einzahle und einen Mehrwert für die Zuschauer/User biete.

Eun-Kyung Park, die heute den ProSiebenSat.1-Sender Sixx lenkt und zuvor die Digitalgeschäfte der TV-AG mitgetragen hat, vergleicht Social TV mit einer Schule für TV-Macher. Der Konzern habe beispielsweise bei der Castingshow „The Voice of Germany“ durch User-Kommentare ganz schnell lernen müssen, was die Zuschauer wirklich auf dem „first screen“ sehen wollen. Unterhaltung werde künftig – gerade beim jungen Publikum – neu definiert. Der Rückkanal durch Facebook, Twitter und Konsorten zeige den Sendern den Geschmack auf. Bertram Gugel von Gugel Productions mahnt, dass  Fernsehen durch Social TV dazu gezwungen werde, noch bessere Inhalte zu liefern. Denn „gut genug“ zum "Angucken" sei schon Vieles bei YouTube. 

Welche Möglichkeiten biete nun Social TV? Gugel nennt dazu vier Aspekte: die Personalisierung des TV-Programms, die Interaktion mit und über Fernsehinhalte in sozialen Netzwerken oder innerhalb von Second Screen-Applikationen, die Virtualisierung des sozialen Kontextes („die Couch wird ins Internet verlagert“) und den Aufbau einer verstärkten Zuschauerbindung. So probiere die BBC in ihrem Projekt Perspective Media beispielsweise gerade aus, wie aus sozialen Netzwerken personalisierte TV-Guides entstehen könnten. Die klassischen Sender müssten jetzt dringend umdenken und bereits bei der Programmgestaltung die Interaktion mitdenken. Gerade die Adressierbarkeit des Programms sei der große Vorteil von Social TV. Aber dieser Lernprozess sei wie beim Wandel vom Stummfilm zum Tonfilm mühsam.

Ähnlich wie Park spricht auch Blogger und TV-Moderator Richard Gutjahr von einem „Lernprozess“. Seine Erfahrung aus dem Experiment „Rundshow“ im BR Fernsehen aus Journalistensicht: "Wir müssen lernen, mit Kritik und Feedback umzugehen. Wir Journalisten haben uns zu sehr darauf eingerichtet, immer das letzte Wort zu haben."


Autor: Petra Schwegler

Die @Schweglerin der W&V. Schreibt seit mehr als 20 Jahren in Print und Online über Medien - inzwischen auch jede Menge über Digitales. Lebt im Mangfalltal, arbeitet in München.