"Kirche heute": Presserat billigt "Titanic"-Titel
Das umstrittene "Titanic"-Cover zu den Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche verstößt nicht gegen den Pressekodex. Der Deutsche Presserat weist mit seiner Entscheidung 198 Beschwerden zurück.
Das zweideutige "Titanic"-Titelbild, das die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche thematisiert, verstößt nicht gegen den Pressekodex. Das hat der Deutsche Presserat in seiner gestrigen Sitzung entschieden und damit 198 Beschwerden über den Titel als unbegründet zurückgewiesen. Außerdem waren bei der Frankfurter Staatsanwaltschaft zwei Strafanzeigen eingegangen. Die zweideutige Karrikatur zeigt einen katholischen Geistlichen, der mit dem Rücken zum Betrachter vor einem Kruzifix steht. Sein Kopf verdeckt dabei die Genitalien der Jesusfigur, deren Kopf hochrot angelaufen ist.
Die 198 Leser hatten vor allem einen Verstoß gegen die Ziffer 10 des Pressekodex angeführt. Darin heißt es: „Die Presse verzichtet darauf, religiöse, weltanschauliche oder sittliche Überzeugungen zu schmähen.“ Der Beschwerdeausschuss 2 des Presserats ist der Auffassung, dass die Karikatur "die zugespitzte Darstellung eines gesellschaftlichen Missstandes innerhalb der Institution Kirche ist und als solche nicht eine Religion schmäht", teilt der Presserat mit. Aufgabe von Karikaturen und Satire sei es, "Diskussionen in einer Gesellschaft so aufzugreifen, dass sie diese pointiert und manchmal auch an Grenzen gehend darstellt".
Weiter werde die aktuelle Debatte über den sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen in der katholischen Kirche in der Darstellung visualisiert. "Die Karikatur ist provozierend. Genau deshalb rüttelt sie auf und veranlasst Leser, über die Missstände in der Kirche nachzudenken", so der Presserat. Die Karikatur stelle Jesus am Kreuz auch als Opfer dar, erläutert der Ausschuss. Es handele sich somit "eben nicht um die Verhöhnung der religiösen Gefühle der Gläubigen, sondern um eine Kritik an den Würdenträgern und der dahinter stehenden Kirche, die sich dieser Kritik stellen muss".
Ursula Ernst, Vorsitzende des Beschwerdeausschusses, differenziert: „Hier wird nicht Jesus oder der christliche Glaube verhöhnt, sondern das Verhalten christlicher Würdenträger kritisiert, die sich ihren Schutzbefohlenen gegenüber falsch verhalten haben. Eine Kirche, die dies deckt oder nicht genügend zur Aufklärung beiträgt, muss auch mit dieser Art von Kritik leben. In einer Demokratie ist die Pressefreiheit ein maßgebliches Gut, die auch Kritik an ihren Grundpfeilern, wie sie das Christentum in Deutschland darstellt, mit einschließt.“