Blattkritik: Neubezug des "Penthouse" - Vormieter wird zum "Pascha"
Unter einem neuen alten Chefredakteur Markus Boden kommt die Februar-Ausgabe von "Penthouse" am 14. Januar an den Kiosk. Der vorherige "Penthouse"-Geschäftsführer Stefan Masseck stemmt indes "Pascha".
Wenn einer aus einem Penthouse auszieht, dann a) weil er sich übernommen hat und auf der Straße gelandet ist oder b) weil er was noch besseres gefunden hat. Zweiteres legt der neue Titel der "Penthouse"-Truppe des Jahres 2009 nahe: Seit November gibt sie "Pascha" heraus.
Ein Penthouse, exklusiv und über den Dingen, war eine angemessene Stadtresidenz für einen angehenden "Pascha", solange sein Palast noch nicht gebaut war. Somit war der Schritt, den die Mieter nach dem Rauswurf aus dem Penthouse unternommen haben, eigentlich ein folgerichtiger, wenn man die Magazinentwicklung betrachtet. Dennoch ein Rückschritt, evolutionsgeschichtlich betrachtet.
Ein Pascha, das ist in unserem Alltagssprachgebrauch ein Mann, der sich gern bedienen und verwöhnen lässt. Vorzugsweise von Frauen. Ein bisschen schwingt auch immer mit, dass der Pascha die Frau als minderwertig und dem Manne untertan geringschätzt.
Das Selbstverständnis der allermeisten Männer entspricht zum Glück schon längst nicht mehr diesem Bild. Was allerdings das Magazin vor ein erstes Problem stellen dürfte: Wer kann sich mit dem Pascha identifizieren? Wenigstens so weit, dass er heimlich gern einer wäre. Das macht die Leserschaft übersichtlich.
Womit wird diese bedient? Die Ausgabe Dezember/Januar bietet solide Nacktheit auf gewohntem Niveau. Darüber hinaus überfordert das Heft den Leser nicht mit zu viel geistreichen Geschichten oder innovativem Layout. Die Rubriken wirken unstrukturiert und vage ("Storys", "Lifestyle") - damit aber auf jeden Fall kein Leser verloren geht, steht über jeder Seite, egal zu welchem Ressort sie gehört, Männer/Autos/Erotik. Nicht dass einer vergisst, womit er es hier zu tun hat. Hat die Redaktion Angst, der Leser könnte sonst zwischendurch glauben, eine Frauenzeitschrift in den Händen zu halten? Ganz dubios wird es schließlich kurz vor Schluss beim sehr eigenwilligen Humorverständnis der Redaktion (Stichwort "Kokain" - lesen Sie mehr dazu in der aktuellen W&V auf S. 38).
So löst die Kombination aus Inhalt, dem Titel des rücksichtslosen Pascha und des Untertitels "Für echte Männer" einen nervösen Schluckreiz aus und führt unwillkürlich zu der Frage, was als nächstes kommt. "Neandertaler" - für total echte Männer?
Gut getan hat der Mieterwechsel aber dem "Penthouse". Die Nachmieter haben sich dem Zeitgeist angepasst, ohne sich anzubiedern. Haben ihr leicht heruntergekommenes Nobeldomizil mit feinem Gespür renoviert und sich von angestaubtem Protz und Prunk getrennt. Gekleckert und geklotzt wird nicht mehr. Selbstbewusst ist der "Penthouse"-Bewohner aber immer noch. Ein bisschen jünger vielleicht. Und nicht mehr so schmierig. Mit dem Klischee, das "Penthouse" irgendwie seit der Gründung anhaftet, ein Magazin für Porschefahrer mit silbernen Schläfen, zu dicker Zigarre und zu dicker Rolex zu sein, wird wohl auch der jetzige Titel weiter zu kämpfen haben. Aber nicht mehr, weil er es bedient. Sondern weil er all jene, die das erwarten, überraschen wird.
Das ist schlecht. Weil die Leser, die "Penthouse" haben könnte, vielleicht wegen ihrer Vorurteile gar nicht zugreifen. Und die wenigen Gestrigen mit der Zigarre im Mundwinkel nicht das finden, was sie erwartet haben.
Dennoch ist es gut. Weil sich vielleicht rumspricht, dass hier ein Magazin näher am Mann ist, als es lange eines war.
"Ehrlich. Erotisch. Männlich. Anders." So zu sein verspricht Penthouse im Untertitel. Was auf den ersten Blick ein bisschen sperrig wirkt, aber im Vergleich mit den schwammigen Sprüchen der Wettbewerber recht gut abschneidet. (Auswahl: "Alles, was Männern Spaß macht", "Was wir heute brauchen", "Männer sind so", "Für echte Männer" - versuchen Sie mal, das zuzuordnen. Auflösung folgt.)
Messen wir den Titel also an seinen Ansprüchen. "Anders": siehe oben. Das lassen wir mal als erfüllt gelten. "Ehrlich." Schwer zu sagen. Was aber sofort auffällt: Es findet wieder mehr Sein als Schein statt im Penthouse, das Heft ist mit Themen wie Kiez, dem Rolls-Royce-Supertrumpf aus dem Autoquartett, Oberammergauer Pisten und Standradios nah an der Lebenswirklichkeit. Sehnsüchte und Interessantes zum Beim-Weitersagen-gut-dastehen kommen dennoch nicht zu kurz. Das ist für ein Magazin erst mal ehrlich genug. Für einen Mann auch. (Wirklich ehrlich ist der ohnehin nicht, sonst hätte das Adjektiv "männlich" das schon mit abgedeckt. Oder?)
"Erotisch": doch, ja. Halbnackte Frauen sind nicht mein Fachgebiet, aber mal angenommen, dass schon geringe Reize genügen, um die Fantasien des Mannes anzuregen, und weiter angenommen, dass wir hier jenseits von Geschmack in Sachen Haarfarbe und Körbchengröße eine gewisse Fotoästhetik zugrundelegen: Dann sind die Mädchenstrecken im "Penthouse" erotisch.
Bleibt, Sie haben es gleich gemerkt, ich hab versucht mich zu drücken: "Männlich". Das ist schwer. Männlich ist im heterosexuellen Sinne ja schon mal, dass einen der Gedanke an Sex mit einer Frau anmacht. Männlich und testosterongetrieben ist in vielen Fällen die Hingabe an Autos, die Liebe zum Fußball, eine gewisse Technikaffinität, Abenteuerlust. Männlich im Sinne eines Männermagazins ist, wenn einem der Anblick einer sündteuren Espressomaschine die Tränen in die Augen treibt - nicht unbedingt der eines ausgesetzten Welpen. Mir kommt das Heft so männlich vor, wie es ein Magazin 2010 sein kann und sein muss. Nicht aufgesetzt, nicht übertrieben. Auch ohne Fußball, aus dem sich die Herrenhefte mit gutem Grund größtenteils heraushalten.
Kritik an der Rubrizierung sei aber nach so viel Lob noch erlaubt: Zwar passen fast alle Begriffe - u.a. Livingroom, Garage, Bedroom, Kitchen - gut ins architektonische Bild des Penthouse ("Standards" aber nicht). Dass es auch hier wieder wichtigtuerische und vermeintlich schicke Anglizismen sind wie überall (im Gegensatz zum Anspruch "anders"), das zu betonen werde sogar ich langsam müde. Nur: Was macht der Kiez-Report im "Bedroom"? Das sieht aus wie ein Bruch mit dem Konzept. Ähnlich wie die "Pets" (leider heißen die Penthouse-Miezen traditionell so), die zwischen den Ressorts willkürlich verteilt sind. Das dient wohl der Heftdramaturgie, auf dass der Leser nach viel Stoff wieder auf einiges Fleisch stößt.
Alles in allem kann man dem neuen "Penthouse" nur die Daumen drücken, es möge die Leser finden, die es verdient.
Zum Schluss noch die Auflösung der Frage oben auf S. 2:
"Alles, was Männern Spaß macht" - Playboy
"Was wir heute brauchen" - Gala Men
"Männer sind so" - FHM
"Für echte Männer" - Pascha
PS: Trotz des Umfangs ist diese Kritik natürlich beiden Heften nicht im Detail gerecht geworden und beschränkt sich auf ausgewählte Aspekte.