Assange 2.0: Wie deutsche Medienmarken mit Openleaks umgehen
Wikileaks ruft Nachzügler auf den Plan. Mit Openleaks könnten Verlage bald selbst systematisch brisantes Material empfangen. Das Thema beschäftigt bereits die Investigativ-Teams der großen deutschen Medienmarken. W&V hat sich in den Redaktionen umgehört.
Werden Enthüllungsportale zum neuen Trend im investigativen Journalismus? Diese Frage beschäftigt zurzeit viele Redaktionen. Für diese Woche haben zwei ehemalige Wikileaks-Mitarbeiter in der "Süddeutschen Zeitung" den Start des alternativen Whistleblower-Portals Openleaks angekündigt. Die neue Plattform stellt Kooperationspartnern, vor allem Verlagen, eine technische Komponente zur Verfügung, die es Informanten ermöglicht, brisantes Material anonym hochzuladen.
Die WAZ-Gruppe hat bereits ein ähnliches elektronisches Postfach eingeführt. Andere Investigativ-Abteilungen überlegen, nachzuziehen: „Klar ist, dass wir an dem Thema nicht vorbei kommen. Derzeit sondieren wir die Möglichkeiten“, sagt Thomas Rietig, Vize-Chefredakteur und Leiter der Investigativ-Redaktion „Sources“ beim Nachrichtendienst dapd. Er merkt jedoch an, dass seiner Agentur die Kapazität fehle, 50 Leute für die Prüfung vertraulicher Dokumente bereit zu stellen, wie es der „Spiegel“ für die US-Depeschen getan hat.
Die dapd-Recherche-Redaktion habe bereits ein Mail-Postfach, „in dem geleaktes Material abgelegt werden kann“, sagt Rietig. „Wie ein E-Mail-Absender sich selbst anonymisiert, ist ja inzwischen Allgemeingut.“ Allerdings bevorzugt er es, seine Quellen zu kennen: „Je höher der Grad der Anonymität, desto spitzfingriger muss man die Informationen behandeln.“
Auch Jörg Eigendorf, Leiter des Investigativ-Teams der „Welt“, hält sich die Option offen: „Ein elektronisches Postfach kann unter bestimmten Voraussetzungen interessant sein – nicht erst seit Wikileaks. Wir haben aber noch nicht darüber entschieden, ob wir diesen Schritt gehen werden.“
Beim Nachrichtenmagazin „Stern“ ist die Informationsbeschaffung à la Wikileaks ebenfalls Thema. Die Redaktion befasse sich „intensiv“ damit, heißt es bei dem G+J-Titel. Noch möchte der Verlag sich nicht dazu äußern, ob er etwa eine Zusammenarbeit mit Openleaks anstrebt. Auch der „Focus“ will sich noch nicht äußern.
Einzig der „Spiegel“ hat entschieden, vorerst nicht mitzuziehen. Ein Spiegel-Sprecher erklärt, man kenne das Projekt Openleaks, verfolge aber „aktuell keine Pläne“ in Richtung einer Zusammenarbeit.