Warum bei Nugg.ad die Post abgeht
Die Übernahme von Nugg.ad ist Teil der im Bonner Post-Tower ausgetüftelten Digital-Strategie "E3". In der Branche wird der Deal fast durchweg begrüßt. W&V hat sich umgehört.
Den gelben Riesen aus Bonn hatte in den letzten Monaten niemand auf der Rechnung. Die Übernahme des Targeting-Dienstleisters Nugg.ad überraschte eine ganze Branche, allerdings durchaus positiv. "Chapeau für diesen strategisch sinnvollen Kauf“, lobt Robert Bosch, Geschäftsführer Crossmedia Sales von Axel Springer Media Impact und Nugg.ad-Kunde. Ein Verkauf lag in der Luft, zumal der größte Konkurrent Wunderloop im Juli an den US-Targeting-Experten Audience Science veräußert wurde. Die Bewertung lag entsprechend der Größe von Wettbewerber Wunderloop etwa bei 20 bis 30 Millionen Euro. Allerdings war Nugg.ad anders als der zwischenzeitlich insolvente Dienstleister Wunderloop zuletzt profitabel, wie CEO Stephan Noller erklärt.
Die Post verlautbarte, Nugg.ad werde unter eigener Marke in Berlin weiter unabhängig agieren. Für die langfristige Perspektive sprechen auch die Verträge mit CEO Noller und Marketing-Vorstand Karim Attia. Beide bleiben vier weitere Jahre an das Unternehmen gebunden. Die Bonner ihrerseits wollen mit der Akquise ins Online-Marketing-Business einsteigen. "Es ist unser erster valider Schritt in den Online-Werbemarkt“, sagt Ingo Bohlken, der den Posten des Chief Marketing Officer Brief innehat. "Wir wollen dem europäischen Werbemarkt eine dauerhaft unabhängige Technologie-Plattform zur Verfügung stellen.“
Elektronisches Dialog- und Online-Marketing ist eine der drei Säulen der Digitalisierungsstrategie des Konzerns, die intern nur E3 heißt. Die anderen: E-Postbrief und E-Commerce. Nugg.ad wird dem Bereich "Marketing Brief“ zugeordnet, in dem auch das klassische Dialogmarketing angesiedelt ist. Eine inhaltliche Verknüpfung – insbesondere von Adressdaten – sei jedoch nicht geplant. "Uns geht es in erster Linie um ein Standbein im Online-Werbemarkt“, bekräftigt Bohlken. Mit Nugg.ad hat die Post einen Dienstleister mit einer offenen und zentralen Plattform für Targeting in der Hand – was Teile der Branche begrüßen.
Die Post stehe für "Seriösität, Langfristigkeit und vor allem für Neutralität“, betont Springer-Manager Robert Bosch. Denn für Open Targeting sollen Werbekunden, Agenturen und Vermarkter Profilinformationen sammeln, austauschen und letztlich auch handeln. Wäre ein Medienunternehmen oder ein Agentur-Network zum Zuge gekommen, wären Interessenskonflikte programmiert gewesen. Allerdings stößt der zentrale Ansatz auch auf Skepsis. "Aus Agentursicht ist eine zentrale Plattform weder sinnvoll noch durchsetzbar“, sagt Ulrich Kramer, Chef der Media-Agentur Pilot 1/0.
Die Hamburger bauen wie andere Agenturen auf eigene Targeting-Systeme. Nur so könnten eigene Wettbewerbsvorteile, Kontrolle über Kampagnen und eine Weiterentwicklung des Marktes gewährleistet werden. Aber die Branche bietet Platz für mehrere Player. (lp/rp)