Social Media: "Auch wir werden nach manipulierenden Aktivitäten gefragt"
Wo verläuft die Grenze zwischen Seeding und Manipulation? Der Social-Media-Boom hat eine Grauzone entstehen lassen, die das Vertrauen in digitale Kommunikation gefährden könnte. Achtung-CEO Mirko Kaminski über Qualitätsstandards und das richtige Bauchgefühl.
Wo verläuft die Grenze zwischen Seeding und Social-Media-Manipulation? Der Facebook- und YouTube-Boom hat eine Grauzone entstehen lassen, die das Vertrauen in Social Media gefährdet. Mirko Kaminski, Chef der Hamburger Kommunikationsagentur Achtung, über Qualitätsstandards und das richtige Bauchgefühl.
Herr Kaminski, wenn eine PR-Agentur bahnfreundliche Kommentare bei Spiegel Online unterbringt, ist das ein Verstoß gegen den PR-Kodex und wenn Helmut Hoffer von Ankershoffen bei Amazon eigene Produkte empfiehlt, kostet ihn das den Job. Aber wenn Social-Media-Dienstleister Videos oder Facebook-Seiten von Kunden pushen, heißt so etwas Seeding und regt niemanden so richtig auf. Ist das Doppelmoral oder verstehe ich das Prinzip nicht?
Ich glaube, Ihre Grundannahme ist nicht ganz richtig. Ja, es gibt schwarze Schafe, die mittels Tausender Fake-Accounts z.B. Videos pushen, aber: über die regen wir uns auf. Und mit uns tun das alle seriösen Dienstleister.
Wo genau verläuft denn für Sie die Grenze zwischen viraler Kommunikation und Manipulation?
Wenn an einer Sache weithin Anstoß genommen wird und die Reputation Schaden nimmt, ist das ein sicheres Indiz dafür, dass eine Grenze überschritten wurde. Und Kommunikationsprofis sollten das antizipieren können und berücksichtigen.
Das klingt ein bißchen so wie: „Erlaubt ist alles, man darf sich nur nicht erwischen lassen“.
Nein, es geht um das genaue Gegenteil: Gute Social-Media-Kommunikatoren müssen gar nicht nicht erst Paragrafen blättern. Schon Bauch und Herz sollten einem sagen, was als erlaubt beziehungsweise unerlaubt betrachtet wird. In Zweifelsfällen hilft es, sich die Frage zu stellen: Möchte ich, dass meine Frau, Mutter oder mein Sohn damit in Kontakt kommt und dem glaubt?
Beim Bundesverband Digitale Wirtschaft wird über ein Social-Media-Zertifikat für Agenturen nachgedacht. Was halten Sie davon?
Ich gehöre beileibe nicht zu denen, die bei Problemen oder Verstößen reflexartig nach Überwachungsinstanzen und Regulierung rufen.
Beim BVDW ist man sich über das Zertifikat ja auch noch nicht einig. Das könnte dauern. Tut es bis dahin vielleicht auch der gute alte PR-Kodex, der verdeckte Marketingkommunikation und Manipulation verbietet?
Ja. Der PR-Kodex greift.
Man hört immer wieder, dass Agenturen von ihren Kunden nach Manipulations-Möglichkeiten gefragt werden. Ist Ihnen das auch schon mal passiert?
Auch wir werden nach manipulierenden Aktivitäten gefragt, aber ohne dass der jeweilige Auftraggeber dies wirklich vorhätte. Zumeist geschieht es eher aus Unkenntnis der Mechaniken und technischen Zusammenhänge. Wir können dann schnell auf den richtigen Weg führen.