re:publica: Mit Jeff Jarvis in die Sauna
Die Blogger-Konferenz re:publica in Berlin eröffnet interessante Perspektiven zu Online-Trends. Und bot stundenlange Diskussionen über Themen wie „Schutz der Privacy“, Wikileaks, Slow Media oder Netz-Neutralität.
Auch die Blogger-Konferenz re:publica bekam die Auswirkungen des Vulkanausbruchs in Island zu spüren. Durch die Beeinträchtigung des Flugverkehrs konnten manche Referenten und Gäste nicht anreisen, andere mussten sich auf einen längeren Aufenthalt in Berlin einstellen. Der Stimmung tat das offensichtlich keinen Abbruch: Bei der Diskussion über wichtige Themen wie „Schutz der Privacy“, Wikileaks, Slow Media oder Netz-Neutralität vergaßen die Teilnehmer schon mal die Zeit und diskutierten mehrere Stunden.
Zum vierten Mal fand die Konferenz über Blogs, soziale Medien und die digitale Gesellschaft vom 14. bis 16. April in Berlin statt, veranstaltet von newthinking communications (netzpolitik.org) und dem Spreeblick Verlag (spreeblick.com). Der doppeldeutige Untertitel nowhere zielt nach Aussage der Macher in zwei Richtungen: Für den Trend zur Echtzeit-Kommunikation („now here“) einerseits und die Internationalität der Szene („nowhere“) andererseits. „Die re:publica 2010 ist deutlich internationaler geworden“, bestätigt Mitveranstalter Johnny Häusler von Spreeblick im Blick auf die ca. 2.500 Teilnehmer. Laut Mitveranstalter Markus Beckedahl von New Thinking (netzpolitik.org) sind es dieses Jahr 165 Veranstaltungen, 265 Speaker, 30 Nationalitäten. "Wir bringen die globale Gesellschaft zusammen!", sagt er. „Die re:publica hat sich von einem Bloggertreffen zu einem der wichtigsten Foren der Online-Szene entwickelt. Hier werden die Themen diskutiert, die für die Medienbranche relevant werden“, bestätigt Jörg Blumtritt, Vorsitzender des AK Social Media und einer der Referenten.
Höhepunkt des ersten Tages war der Vortrag des US-Journalisten Jeff Jarvis. Im Rahmen der Diskussion über Privatheit und Sicherheit im Netz lud er die Anwesenden für die Fragestunde in die gemischte Sauna ein: Für Deutsche kein Problem, für Amerikaner ein Skandal. Umgekehrt sei es hierzulande problematisch, Informationen und private Bilder in öffentliche Internetforen zu stellen. Jarvis nennt dies das "deutsche Paradox". Aber: Wenn alle ihre Peinlichkeiten offen legten, sei doch nichts mehr dabei, so Jarvis. Das sei wie beim Thema Nacktheit in der Sauna. Die Frage ist: Brauchen wir Regeln zum Schutz der Privatsphäre im Netz, oder werden Regeln und Richtlinien nicht allein dadurch ad absurdum geführt, dass vor allem Nutzer von Social-Media-Anwendungen ihre Informationen freiwillig veröffentlichen?
Diskutiert wurde auch über Wikileaks: Das Portal hatte jüngst skandalöse Videos zu US-Hubschrauberangriffen im Irak online verbreitet und angekündigt, demnächst 37.000 E-Mail von NPD-Anhängern veröffentlichen zu wollen. Damit besteht die Gefahr, dass auch zahlreiche E-Mail-Partner der Deutsch-Nationalen geoutet, die zwar die entsprechende Person kennen, aber nichts mit deren Gesinnung zu tun haben.
Unter dem Label „Slow Media“ wurde zudem über das Thema Medienqualität im Online-Bereich diskutiert: Werden auch im Netz Kriterien für Qualität gebraucht, die dem Nutzer Orientierung bieten und wie können diese aussehen? Im Schwerpunktbereich Netz-Neutralität ging es unter anderem auch um die Zusammenarbeit zwischen Contentanbietern und Carriern. So wurde ein Modell vorgestellt, Internetzugänge verbunden mit Content-Angeboten zu verkaufen: Einerseits könnten so schnelle Internetzugänge billiger werden, andererseits bekämen Contentanbieter einer verlässliche Erlösquelle. Vorgestellt wurden erste Beispiele aus Spanien.
Weitere Informationen zum Programm und einzelnen Vorträgen finden Sie unter http://re-publica.de/10/.