Medienkonzerne fahren digitale Investments zurück
Die große Ernüchterung: Viele Medienunternehmen sind dabei, ihr Portfolio zu bereinigen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der OC&C Strategy Consultants.
Rechtzeitig zur Bekanntgabe der Halbjahreszahlen konnte die Axel Springer AG stolz einen Zukauf bekannt geben. Zusammen mit der PubliGroupe übernahm der Konzern 50,1 Prozent an Digital Window, einem britischen Unternehmen, das auf erfolgsbasiertes Online-Marketing spezialisiert ist. „Wie angekündigt“, so Springer-Chef Mathias Döpfner Anfang August, "ist unser Investitionsschwerpunkt klar auf den Ausbau des digitalen Geschäfts ausgerichtet.“
Noch vor einem Jahr, vor Ausbruch der Krise, war die Nachricht solcher Zukäufe weitaus öfter zu vernehmen. Inzwischen aber hat die Dynamik, mit der die deutschen Verlage in digitale Projekte investieren, spürbar nachgelassen. Dieses Fazit zieht die OC&C Strategy Consultants, Düsseldorf, in ihrer aktuellen Studie, die sie bezeichnenderweise mit der Überschrift "Die digitale Ernüchterung“ versehen hat. Die Gründe sind naheliegend. Zum einen sind die "Claims" im Online-Segment weitgehend abgesteckt, interessante Angebote oder neuartige Geschäftsmodelle kaum mehr zu finden. Zum anderen lähmt der müde Werbemarkt die Lust am kostspieligen, aber riskanten Ausbau; die Verlage widmen sich wieder verstärkt ihrem Kerngeschäft. Die Folge: Die Zahl der neuen Beteiligungen schrumpfte - um Abgänge bereinigt - auf ein Sechstel des Vorjahres.
"Die Medien haben ihre Portfolio-Arbeit deutlich professionalisiert", sagt Michael Rzesnitzek, Partner bei OC&C. "Inhaltlich kristallisiert sich dabei mehr und mehr ein Fokus auf refinanzierbare Modelle heraus.“ So ist beispielsweise das Interesse an weiteren Content-Angeboten gesunken, zu beliebig scheint oft deren Konzept in einem redaktionell übersättigten Markt. "Die Unternehmen", so Rzesnitzek, "scheinen die Spreu vom Weizen trennen zu wollen.“
Springer schloss still und leise die Redaktion des Avastar, einer Zeitung, die in der virtuellen Welt von Second Life erschien. Die Verlagsgruppe Holtzbrinck verabschiedete sich von dem Nachrichtenportal Zoomer, das erst im Dezember 2007 mit viel Ehrgeiz und Vorschusslorbeeren des Verlegers Stefan von Holtzbrinck angeschoben worden war. "Diese Art von rein werbefinanzierten Stand-alone-Angeboten ist auch weiterhin stark gefährdet“, prognostiziert Andreas von Buchwaldt, Partner bei OC&C.
Andererseits sind einträgliche Paid-Content-Modelle nicht in Sicht, zumindest nicht im Business-to-Consumer-Segment. "Für die mit Abstand meisten Verlagsangebote wird dieses Modell mittelfristig kein wirkliches Erfolgsmodell werden“, sagt von Buchwaldt. „Es gibt einfach in den meisten Bereichen zu viele alternative kostenlose Quellen für mindestens ähnliche Inhalte.“
Die Studien, die OC&C in den Jahren 2007 und 2008 veröffentlichte, bescheinigten Verlage wie Holtzbrinck oder Burda noch eine Strategie, die von viel Optimismus und Experimentierfreudigkeit geprägt war. Man wollte möglichst in allen Bereichen Erfahrungen sammeln und hatte Bedenken, wichtige Entwicklungen zu verpassen. Dieser Hurrastil scheint jetzt einer nüchternen Betrachtung des Digital Business Platz zu machen - die strategische Bewertung der Investitionen wird genauer hinterfragt. Nach Beobachtung von OC&C hat Burda beispielsweise damit begonnen, seine Online-Aktivitäten neu zu sortieren: 25 Prozent des Portfolios seien ausgetauscht worden.
Nach der Phase des Einsammelns machen die Verlagsberater nun drei Trends aus: Finanzinvestitionen und strategische Investitionen werden stärker getrennt. Die diversen Online-Aktivitäten innerhalb eines Hauses werden besser verzahnt, wie beispielsweise die Gründung der Holtzbrinck Digital zeigt, einer Einheit, die das Online-Geschäft der Verlagsgruppe bündeln soll. Und drittens: Die Digital-Beteiligungen werden näher an das Kerngeschäft herangeführt. Als Beleg dient hier die Auflösung der New Media Ventures bei Gruner + Jahr im Juni. Die Gesellschaft sollte sich einst um die Internet-Aktivitäten des Verlagshauses im Rahmen der "Expand your-Brand-Strategie“ kümmern. Vergangenheit: Das soll nun wieder Sache der einzelnen Verlagsbereiche sein.
Trotz momentaner Zurückhaltung und Portfolio-Bereinigung erwarten die Studienautoren keine Verkaufswelle von Online-Beteiligungen, zu wichtig ist das Web für das künftige Business. Rzesnitzek: "Im Rahmen der Transformation von traditionellen Geschäftsmodellen kommt dem Online-Segment eine grundsätzliche strategische Bedeutung zu.“