"Kondomfabriken für den Vatikan": Medienhäuser und ihre Suchmaschinen-Optimierung
Die Branche wundert sich: Verlage fordern Leistungsschutzrechte im Internet, beschäftigen aber gleichzeitig SEO-Agenturen, die für mehr GoogleTraffic sorgen sollen.
Verkehrte Online-Welt: Die Verlage fordern Leistungsschutzrechte für ihre Arbeit und wollen verhindern, dass Suchmaschinen wie Google mit ihren Inhalten Geld verdienen, ohne die Urheber zu beteiligen. Aber dieselben Medienhäuser engagieren SEO-Agenturen, die dafür sorgen sollen, dass die Verlagsangebote möglichst weit oben in den Suchergebnissen landen. Das sorgt bekanntlich für Traffic und hilft, die Werbeplätze zu verkaufen.
Die Doppelmoral der Medienhäuser erinnere an "eine Kondomfabrik für den Vatikan“, formuliert ein Insider. Offizielle Statements von den Verantwortlichen bei den SEO-Dienstleistern wird man allerdings nur selten erhalten – wer will schon seinen eigenen Auftraggeber in Frage stellen. Das Thema erhitzt ohnehin schon die Branchen-Gemüter, wie gerade erst die polemische Anzeige (unter anderem im "Kontakter“) von Mario Sixtus zeigte.
Einer der wenigen auskunftsbereiten SEO-Akteure mit Verlagskundschaft ist Markus Uhl. Als Head of SEO der Online Solutions Group betreut er seit dem vergangenen Jahr die Gruner-Jahr-Tochter G+J Entertainment Media. Uhl steht der ganzen Debatte zwar "relativ neutral gegenüber“, sieht die Aktivitäten einiger Medienhäuser aber durchaus kritisch: "Sie müssen lernen, Internet zu denken“. Denn wenn die Verlagsangebote im Internet gut aufgestellt sind, verkaufen sie auch gute Werbeplätze. Doch dafür "scheinen in manchen Häusern die Strukturen noch recht verkrustet zu sein.“
Beim Verband Deutscher Zeitschriftenverleger sieht man in der Google-Optimierung von Verlagshäusern und der Forderung nach Leistungsschutzrechten keinen Widerspruch: "Gerade in monopolartigen Strukturen, wie sie bei Google vorliegen, ist doch die Optimierung der Präsenz um so notwendiger", so Peter Klotzki Geschäftsführer Kommunikation beim VDZ. Dass gleichzeitig ein Leistungsschutzrecht angestrebt wird, sei "ein anderer Sachverhalt." Der Münchner Burda-Verlag wollte sich dem Statement auf W&V-Anfrage ausdrücklich anschließen. Verleger Hubert Burda gehört als Präsident des VDZ zu den schärfsten Kritikern des Content-Geschäftsmodells von Google.
Sein Medienhaus beschäftigt mit dem Karlsruher Dienstleister Paseo allerdings eine externe SEO-Agentur und ist mit der Konzerntochter Burda Digital Systems sogar selbst im Suchmaschinenmarkt unterwegs. Auch Axel Springer engagiert sich im SEO-Geschäft. Im November 2010 übernahm der Berliner Medienkonzern die Mehrheit am Online-Dienstleister Sohomint, der nach Verlagsangaben auch Suchmaschinenoptimierung anbietet. Und der Münchner Google-Optimierer Booming gehört zur Holtzbrinck-Gruppe. Dort wollte man sich zum Thema SEO nicht äußern.