
Maurice Lévy: "Es geht nicht mehr ums Geldverdienen"
Im Interview mit W&V-Redakteurin Daniela Strasser spricht der Publicis-CEO über seine Pläne für den deutschen Markt, die Entwicklung seiner deutschen Firmen, seine Beziehung zum Geld und die Frage, wie es ist, wenn einen die Leute dauernd fragen, wann man denn nun in Rente geht.
Eigentlich hätte Publicis-CEO Maurice Lévy, 69, Ende des Jahres in den Rente gehen sollen. Jetzt bleibt er länger. Der Aufsichtsrat hat ihm zuliebe das Renteneintrittsalter nach oben gesetzt, und Lévy hat sich revanchiert, indem er gegen eine leistungsbezogene Sonderzahlung 2012 auf sein Jahresgehalt verzichtet. Weil er noch eine Mission zu erfüllen hat: den perfekten Nachfolger finden, seine Gruppe durch die neuerliche Krise zu führen und "ein oder zwei schöne Schachzüge zu tätigen".
Auch der deutsche Markt, wo Publicis mit Marken wie Publicis Worldwide, Saatchi & Saatchi und Leo Burnett (Werbung), Razorfish (Online), Zenith Optimedia (Media) und MSL (PR) vertreten ist, spielt dafür eine Rolle. Das ausführliche Interview lesen Sie in der aktuellen W&V (50/2011), einen Auszug daraus gibt es hier.
W&V: Im Sommer haben Sie mit anderen Millionären eine höhere Reichensteuer gefordert. Zufrieden mit den Ergebnissen der Kampagne "Taxez-Nous", Herr Lévy?
Lévy: Meine Position war nicht "Taxes-Nous"! Meine Position habe ich in einem Artikel festgehalten, den ich im August in Le Monde geschrieben habe und der sich um mehrere Probleme drehte. Unter anderem habe ich gesagt, wenn man die Schuldenproblematik in Frankreich lösen will, müssen die Staatsausgaben drastisch reduziert werden. Das könnte Auswirkungen auf die Ärmeren haben. Also müssen wir, die Reichen, einen Beitrag leisten, uns solidarisch zeigen und über einen gewissen Zeitraum mehr Steuern zahlen. Daran ist nichts falsch! Dann hat Le Nouvel Observateur das Thema aufgegriffen und "Taxez-Nous" daraus gemacht. Ich wollte in diesem Artikel nicht mal vorkommen, weil ich schon geschrieben hatte, was es zu sagen gab. Aber der Chef der Zeitung ist ein Freund von mir, der sagte: Maurice, wir müssen das machen, du kannst uns nicht hängenlassen. Ich hab´s schließlich akzeptiert.
W&V: Unzufrieden mit der weltweiten Berichterstattung, die Ihnen dadurch zuteil geworden ist?
Lévy: Die hat mich überrascht. Ich war mein Leben lang in vielen Medien, aber diese Art der Berichterstattung hatte ich nicht erwartet. Und sie war nicht mein Ziel. Mein Ziel war es, wachzurütteln. Insofern war ich wenigstens erfolgreich...Ich zahle mehr Steuern.
W&V: Geht der Pathos jetzt soweit, dass Sie auch noch freiwillig auf Ihr gesamtes Jahresgehalt für 2012 verzichten?
Lévy: Ich habe das vorgeschlagen - zur Überraschung des Aufsichtsrats und meiner Frau. Ich habe es getan, weil es an diesem Punkt meiner Karriere nicht mehr ums Geldverdienen geht. Sondern darum, meine Mission richtig zu beenden. Wir bewegen uns auf eine Phase zu, die Opfer fordern wird, also muss ich Sie ebenfalls erwarten. Chef-Gehälter werden doch zunehmend in Frage gestellt: Es ist an der Zeit, Mäßigung zu zeigen.
W&V: Aha, da spricht jetzt das reine Gutmenschentum? Immerhin bekommen Sie eine leistungsbasierte Sonderzahlung.
Lévy: Es ist auch eine Form der Koketterie, die ich mir selbst erlauben kann: Jetzt, da ich ans Ende meiner Karriere komme, darum zu bitten, dass mein gesamtes Gehalt leistungsbezogen ist. Wir sagen doch dauernd, dass jede Arbeit eine angemessene Bezahlung verdient. Also, in dem Fall, werde ich meine Bezahlung hyper-verdient haben.
W&V: Was macht denn einen guten Holdingchef aus?
Lévy: Die oberste Qualität, die er mitbringen muss, ist Liebe. Er muss die Marken lieben, die Leute,die Kunden, die Verbraucher. Wenn er das nicht kann, ist er vielleicht ein guter Zahlenquetscher, aber kein guter Werbemann. Ein guter Werber ist im Herzen gut.
W&V: Sie spielen auf WPP-Chef Martin Sorrell an. Er ist nicht der einzige, der Ihre aggressive Übernahmestrategie beständig anzweifelt.
Lévy: Es war eine allgemeine Bemerkung. Aber, was sehr interessant ist, bezogen auf Herrn Sorrell: Ich habe das Gefühl, dass er die Akquisitionen von Publicis sehr mögen muss. Denn jedesmal, wenn ich versuche etwas zu kaufen, mischt er sich ein und bietet darüber. Ungeachtet seiner Preissteigerung kaufen wir aber nur zu unserem Preis. Ich kann schon verstehen, dass er da etwas verbittert sein könnte.
W&V: WPP ist die weltweite Nummer eins unter den Werbekonzernen, Publicis steht gerade noch an Platz drei...
Lévy: Ja, WPP ist die Nummer eins und wir die ferne Nummer drei. Was das Wachstum angeht, übertreffen wir aber WPP und die Werbeindustrie insgesamt; und unsere Margen sind die besten des Markts. Wir werden wahrscheinlich in vielerlei Hinsicht falsch eingeschätzt, aber wenn Sie sich Wachstum und Margen ansehen, müssen wir was richtig machen.
W&V: Welche Firma macht Sie denn in Deutschland besonders stolz?
Lévy: Sie sollten einen Vater nie fragen, welche Tochter er bevorzugt...Ich könnte es nicht sagen. Razorfish entwickelt sich extrem gut, unsere Media-Agenturen Starcom und Zenith auch. Es ist eine Kombination, die sich in die richtige Richtung bewegt.
W&V: Brauchen Sie all die Marken, mit denen Sie in Deutschland vertreten sind?
Lévy: Deutschland ist der größte Markt Europas, und wir müssen hier die Bedürfnisse all unserer Kunden mit verschiedenen Networks abdecken können - Publicis, Saatchi & Saatchi, Leo Burnett, Starcom, Zenith, et cetera.
W&V: Beim Bieterrennen um Scholz & Friends hat Sie WPP abgehängt. Sie schauen sich derweil nach besseren Alternativen in Deutschland um. Doch 2011 gab es trotz großer Ankündigungen keine Übernahmen.
Lévy: Ich bin ständig in Gesprächen. Deutschland ist sehr wichtig, für Publicis der viertgrößte Markt. Ich will unsere Position hier mit gezielten, präzisen Zukäufen stärken.
Mehr zu den konkreten Plänen, die Maurice Lévy für den deutschen Markt hat, welche Übernahmen er plant, seinen idealen Nachfolgekandidaten, seinen Disput mit WPP-Chef Martin Sorrell bezüglich Scholz & Friends und die Frage, wie lange er noch an der Spitze der drittgrößten Werbeholding stehen wird, lesen Sie im Interview in der aktuellen W&V (50/2011).