Aus für Kempertrautmann: Warum Media Markt eine Agentur sucht
Kempertrautmann ist von der Kündigung des Vorzeigekunden Media Markt allem Anschein nach überrascht worden. Bei einem möglichen Pitch könnten die Hamburger aber antreten. W&V Online hat die Hintergründe recherchiert.
Die Hamburger Agentur Kempertrautmann verliert zum Sommer ihren prestigeträchtigen Vorzeigekunden Media Markt. Das Unternehmen teilte mit, man sei auf der Suche nach einem neuen Agenturmodell zur Umsetzung einer Multichannel-Kommunikationsstrategie. Man wolle künftig auch in der Werbung verstärkt multimediale Wege beschreiten. Deshalb würde die Zusammenarbeit mit der Hamburger Agentur Mitte des laufenden Jahres beendet.
Aktuell prüft das Unternehmen, wie es sich künftig kommunikativ aufstellen will. Die beiden Möglichkeiten wären entweder weiterhin die Zusammenarbeit mit einer Agentur. Oder aber Media Markt entscheidet sich dafür, mit einer Reihe von Spezialagenturen zusammenzuarbeiten. Bis wann sich das Unternehmen auf eines der Modelle festgelegt haben will, dazu äußert es sich nicht. Klar ist auch noch nicht, ob es zu einem Pitch kommt. Sollte Media Markt aber einen Agenturwettbewerb ausrufen, so sei Kempertrautmann eingeladen zu verteidigen, heißt es aus der Pressestelle des Unternehmens. Vorausgesetzt, die Agentur habe Interesse. Ob dem so ist, steht offenbar noch nicht fest. Agenturchef Michael Trautmann will sich zu der vom Unternehmen verschickten Pressemitteilung nicht öffentlich äußern. Allem Anschein nach ist die Agentur von der Kündigung überrascht worden.
Für Kempertrautmann ist die Nachricht vom drohenden Etatverlust ein herber Rückschlag zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Erst im Dezember 2010 hatten André Kemper und Michael Trautmann die Gründung der Multichannel-Tochter Kempertrautmann Change verkündet. Zum 1. Januar 2011 ist die Tochter unter der Führung von Martin Drust (ehemals Tribal DDB) gestartet. Strategiechef Nils Wollny und Wulf-Peter Kemper, der gemeinsam mit seiner Agentur Oysterbay und deren Kunden zu Kempertrautmann Change gekommen war, ergänzen das Führungsteam. Digitale Kompetenz wäre also vorhanden.
Umso unverständlicher wirkt die Erklärung von Media Markt: "Wir bedanken uns bei Kempertrautmann für die gute Zusammenarbeit und die Erfolge, die wir in den letzten Jahren gemeinsam erzielt haben", sagte Michael Rook, Vorsitzender der Geschäftsführung von Media Markt zu der Trennung. "Unser Anspruch als Nummer Eins ist es, den Kunden dort zu erreichen, wo er es von uns erwartet. Künftig suchen wir einen Partner, der unsere Marke intensiv in Richtung Multichannel begleitet."
Dass Kempertrautmann dafür nicht geeignet sein soll, ist kaum vorstellbar. Gerade aufgrund ihrer Agentur-Neuaufstellung im vergangenen Jahr sind Michael Trautmann und André Kemper auf den vierten Platz der Top-Manager 2011 in der W&V (1/2011) gewählt worden. Sogar auf die Einreichung bei Werbepreisen hatte die Agentur 2010 verzichtet und ihr Augenmerk auf den Ausbau der digitalen Kompetenzen gerichtet.
Gut möglich, dass Media Markt die eigenen Versäumnisse der Agentur anlastet. Ende Dezember musste CEO Roland Weise das Feld räumen. Seit 1. Januar 2011 stehen Horst Norberg als Vorsitzender der Media-Saturn-Geschäftsführung und Rolf Hagemann als stellvertretender Vorsitzender sowie Verantwortlicher für Finanzen an der Spitze des Unternehmens. Weise war Medienspekulationen zufolge zur Last gelegt worden, dass er die wiederholten Rückschläge im Onlinegeschäft zu verantworten hatte.
2007 hatte Media-Saturn einen ersten Onlineshop wieder aufgegeben, nachdem dieser nie in Schwung gekommen war. Pläne für ein Onlineshop gibt es bereits, aber einen Launchtermin kommuniziert das Unternehmen nicht, nachdem es in der Vergangenheit seine Termine nie einhalten konnte. Ursprünglich sollten Ende 2009 in den Niederlanden und Österreich Onlineshops starten und die dort gewonnenen Erfahrungen im Lauf des Jahres 2010 auf den deutschen Markt übertragen werden. Allerdings befinden sich das österreichische und das niederländische Projekt immer noch in der Testphase. Im Herbst musste Weise einräumen, dass ein Online-Shop 2011 nicht mehr in Deutschland starten würde. Kurz darauf musste er seinen Posten räumen. Lediglich der Verkauf von digitalen Gütern wie E-Books oder Musik funktioniert über die Online-Seiten des Unternehmens. Den Grund in dem digitalen Vertriebs-Flop vermuten Branchenkenner vor allem darin, dass die Konsumenten andere Erwartungen im Netz haben. Vor allem das Thema Preisvergleich spielt online eine große Rolle. Das bisher von Media Markt verfolgte Modell, mit Flyern und Schweinebauchanzeigen die Konsumenten in die Filialen zu locken, ist auf das Internet-Geschäft nicht übertragbar.
Jetzt startet Media Markt offenbar einen neuen Angriff - und erhofft sich Energie und Ideen von einer neuen Agentur. Das Thema Online-Shop stehe auch im direkten Zusammenhang mit dem Vorhaben, verstärkt auf multimediale Kommunikationskanäle zu setzen, heißt es aus der Unternehmenskommunikation von Media Saturn. Offenbar sieht die neue Unternehmensführung Handlungsbedarf und will mit radikalen Entscheidungen Zeichen setzen. Ist Kempertrautmann also nur ein Bauernopfer? (Diskutieren Sie mit in unserem Blog)
Kempertrautmann verantwortet seit 2004 die Werbekampagnen für Media Markt in den Bereichen TV, Funk, Print, Online und Out-of-Home. Am 11. Januar war im Zuge der Veröffentlichung der Metro-Geschäftszahlen bekannt geworden, dass die Geschäfte sowohl von Media Markt als auch von Saturn in Deutschland im vergangenen Jahr trotz Konjunkturaufschwung keine Umsatzsteigerung gegenüber dem Vorjahr gebracht haben. Media Markt gilt als Startkunde von Kempertrautmann vor sechseinhalb Jahren. Am 1. Juli 2004 hattedie Agentur das erste Briefing von Media Markt erhalten. Genau sieben Jahre später, am 1. Juli 2011, endet aller Voraussicht nach die Zusammenarbeit. Wie es mit dem Media-Markt-Team in Berlin weitergeht - vor allem der Kreativchef Lennart Witting steht namentlich für die Betreuung des Elektronikkunden - ist noch nicht bekannt.