Mr Media:
Wo bleibt die Medien-Elite?
Wo sind bei den Medien die Macher, die ihr Medium noch verstehen und visionär nach vorne treiben? Warum eiern so viele Medien derzeit wie im Nirvana herum? Sind vielleicht zu viele Juristen und Controller am Werk fragt "Mr Media" Thomas Koch in seiner neuen Kolumne für die W&V.
Sie werden mir zustimmen, dass Unternehmen von Menschen geführt werden sollten, die von der Materie Ahnung haben. Nehmen wir - ganz zufällig - die Medienbranche als Beispiel. Da würde man denken, es sei sinnvoll, dass Fernsehsender von Fernsehmachern und Verlage von Journalisten gelenkt werden.
Und doch ist es anders. Ebenso wie sich unser Bundestag überwiegend aus Anwälten, Beamten und Lehrern zusammensetzt , ebenso wie sich die meisten AGs Juristen und Controller an die Spitze gewählt haben, machen es auch unsere Medien.
Wo sind bei den Medien die Macher, die ihr Medium noch verstehen und visionär nach vorne treiben? Ist das womöglich die Antwort auf die Frage, warum so viele Medien derzeit wie im Nirvana herumeiern?
Beginnen wir mit Springers Matthias Döpfner. Er kokettiert gern damit, dass er früher einmal Journalist war. Er schreibt jedoch Print ab, treibt die AG (durchaus visionär) ins Digitale - meint damit aber keinesfalls digitalen Journalismus, sondern zunehmend den Ankauf diverser Online-Portale und E-Commerce. Diese Diversifizierung in fremde Geschäftsfelder ist unzähligen Unternehmen bereits zum Fallstrick geworden. Man darf in Ruhe die Pressemitteilung abwarten, in der es heißt, man besinne "sich künftig deshalb wieder aufs Kerngeschäft".
Hubert Burda, einer der letzten, echten Verleger hat als Unternehmer immer visionär gehandelt, dabei mit Print ein Vermögen gemacht und - wie das Unternehmern manchmal so ergeht - online auch schon reichlich Geld versenkt. Investiert er deshalb weiter in Xing, ElitePartner und Tierfutter?
Bertelsmann blickt auf eine ereignisreiche Führungsvergangenheit zurück. Namen wie Middelhoff und Kundrun (der sich abwegigerweise für die Zeitschriftensparte stark machte) dürften bei manchem in Gütersloh noch heute Gänsehaut hervorrufen. Sie waren allesamt keine Journalisten, sondern Betriebswissenschaftler.
Inhalt ist kein Content
Nun führt Julia Jäkel bei Gruner+Jahr Regie als Vorstandsvorsitzende. Sie blickt auf eine kurze Karriere als Redakteurin zurück, wechselte jedoch früh in die Verlagsleitung. Bei einer Mitarbeiterversammlung im Juni verkündete sie: "Gruner + Jahr wird ein führendes Haus der Inhalte bleiben." Um nun beim Publisher’s Summit zu erklären "Content is king ist dummes Gerede" . Erst wenige Wochen zuvor hatte Gruner+Jahr seine Transformation von Zeitschriften- zum Inhaltehaus proklamiert. Nein, verehrte Leser, ich kann Ihnen auch nicht sagen, was Frau Jäkel meinte. Wenn sie nur die PR-Tante wäre, der etwas Unüberlegtes rausgerutscht wäre…
Bleiben wir in Gütersloh. Anke Schäferkordt, ausgewiesene Controllerin, trieb die RTL-Gewinne zwar in die Höhe, die Quoten jedoch in den Keller. Sie darf jetzt die Bemühungen der Kölner Kollegen, die Quoten wieder zu richten, vom bequemen Sessel im Bertelsmann-Vorstand aus beobachten.
Über ProSiebenSat.1 brauchen wir keine großen Worte zu verlieren. Die AG steht zum Verkauf. Männer wie Thomas Ebeling und Thomas Wagner (ein Finanzer) haben es auf imposante Weise verstanden, den Börsenwert zu steigern, aber den Sendern keine Vision mitgegeben, die nachhaltig ist. Langfristig würde ich mir die Aktie nicht ins Depot legen.
Aussterbende Geschäftsmodelle
Die Tageszeitungen können wir ebenso schnell abhaken. Die Rendite-Retter an ihren Spitzen sparen ihr Medium an der einzigen Stelle kaputt, die den Wert der Zeitung für ihre Leser ausmachen: An ihren Lokal-Redaktionen. Auf eine derart geniale Lösung muss man erst einmal kommen. Und die Gründer-Verleger dürften sich im Grab rumdrehen.
Man wird den Eindruck nicht los, dass die derzeitige Medien-Elite es als aussterbendes Geschäftsmodell betrachtet, Inhalte an Konsumenten zu vermitteln, sondern stattdessen lieber die Rest-Rendite rettet oder Ergebnisse für die Börse produziert. Wie schnell geht denn der Schuss nach hinten los? Wie schnell hat man da kein Medium mehr, dass sich opportunistisch an renditegeile Börsianer vermarkten lässt?
Es wäre allerdings unfair, nicht wenigstens auch zwei Beispiele für herausragende, journalistische Produkte zu erwähnen, die beispielhaft und einzigartig sind. Allen voran Gabriele Fischer (Vollblut-Journalistin) und ihr erfolgreiches Magazin "brand eins". Und Giovanni di Laurenzo (Vollblut-Journalist) im Zusammenspiel mit dem kongenialen Rainer Esser, die "Die Zeit" von einem Erfolg zum nächsten führen. Dies zur Vervollständigung. Und nur als Beweis dafür, dass Journalismus geht, wenn Journalisten wissen, was sie machen.
Denn sie wissen nicht, was sie tun
Was bleibt, ist Verwirrung. Oder Umnachtung. "Altvater"-Print weiß nicht mehr, wofür es einmal stand. Und kauft sich deshalb Digital-Gedöns. Online selbst (das per definitionem eigentlich kein Medium ist) beantwortet seine pubertären Schwächen mit einem Zwang zur Automatisierung. TV erscheint mir schon in der Midlife-Krise und schiebt die Schuld auf fehlende Konvergenz-Währungen. Nein, nein, es liegt nicht an der Programmqualität.
Was waren das für unbekümmerte Zeiten, als sich die Medien noch wie Medien aufführten, beseelt von Visionen und dem Drang, Menschen mit ihren Botschaften und Programmen zu erreichen? Diese Zeiten wünsche ich nicht mir zurück - sondern den Medien. Denn nur so macht ihr Leben und ihre Arbeit einen Sinn. Ein Schritt dorthin würde allerdings bedingen, mehr Elite an ihre Spitze zu berufen, die das Medien-Metier beherrschen.
Wie sagte einst Paul Gredinger, Gründer der legendären GGK: "Denke nicht zuerst ans Geld. Das Geld, hinter dem man her ist, soll man verachten. Das Geld, das einem zufliegt, soll man lieben." Und: "Nicht um Profit kümmern - der kommt von selbst."
Thomas Koch, Agenturgründer, Ex-Starcom-Manager, "Wirtschaftswoche"-Kolumnist, Herausgeber von "Clap" und Media-Persönlichkeit des Jahres, bloggt für W&V. Er ist "Mr. Media".