Erster Hanf-Spot:
Warum TV-Sender die Werbe-Premiere von Cannabis verpassen
Nur im Kino wird deutschlandweit ab sofort für die Legalisierung von Marihuana geworben. Warum TV-Sender die ersten Spots des Deutschen Hanfverbands ablehnen, hat W&V Online erfragt.
Es raucht ab sofort auf 243 deutschen Kinoleinwänden. Die erste deutsche Cannabis-Kampagne ist gestartet und trommelt für die Entkriminalisierung von Hanf. In Berlin feierten drei Filmspots Premiere: mit Drogenbaronen, Gelegenheitskonsumenten und Schmerzpatienten in Notlagen. Wie W&V Online berichtet hat, verdankt der dahinter stehende Deutsche Hanfverband (DHV) seinem Geschäftsführer Georg Wurth, dass es überhaupt zur Werbe-Premiere auf deutschem Boden gekommen ist. Er hat Anfang des Jahres eine Million Euro bei der "Millionärswahl" von ProSieben und Sat.1 gewonnen und das Geld dem Lobby-Verband für die erste bundesweite Werbekampagne zur Verfügung gestellt.
Wurth prangert indes an, dass die ersten Cannabis-Spots des Produktionsteams Weinertfilm zwar im Kern von TV finanziert worden seien, die Sender selbst aber nicht berauschen konnten. "Alle angefragten TV-Sender haben die Ausstrahlung der Hanf-Spots abgelehnt. Zum Teil wollten sie das nicht konkret begründen, andere haben die Spots als politisch eingeschätzt, was laut Rundfunkstaatsvertrag nicht gestattet sei", beklagt der Vorreiter für legales Cannabis. Ihm stinkt, dass die Sender zum Beispiel RWE-Werbung zulassen würden, die für eine bestimmte Energiepolitik stünde. Es gebe also offenbar "Spielraum" für die Einordnung von Spots. "Das gibt der Absage an die Hanf-Spots eine pikante Note. Das Thema ist den Sendern offenbar noch zu heiß", meint Georg Wurth. Hier ist übrigens einer der drei Spots; darin wird für die Legalisierung des Handels geworben.
Ist dem so? Wollen sich die werbefinanzierten Sender am Joint nicht die Finger verbrennen? W&V Online hat stichprobenartig die Vermarkter befragt – und siehe da: Bei der RTL-Tochter IP Deutschland und beim kleinen wilden Sender Tele 5 ist das DHV-Anliegen tatsächlich vorgetragen worden. Aber hier wie dort haben nicht die Salesteams oder die Dispos die Kampagnenanfrage weiter bearbeitet, sondern die juristischen Abteilungen. In Köln wie in München wird auf §7 Absatz neun im Rundfunkstaatsvertrag hingewiesen, wo es heißt: "Werbung politischer, weltanschaulicher oder religiöser Art ist untersagt." Die ersten Cannabis-Spots würden für die Sache "politisch mobil machen", ist zu hören. Die Kampagne bewege sich daher in einer "Grauzone". Gegen das eventuell irgendwann legale Kraut als beworbenes Produkt an sich hat das Werbemedium Fernsehen indes nichts. So betont etwa IP-Lenker Matthias Dang gegenüber W&V Online: "Wir freuen uns über jedes neue legale Produkt, für das Werbung gemacht werden darf." Vorerst bleibt Kiffen ergo nur im Programm salonfähig - und macht dort Quote.
Bis zum legalen Joint ist es aber noch ein sehr weiter Weg in Deutschland – Ausgang: fraglich. Befeuert haben mag den Deutschen Hanfverband in seiner neu entflammten Euphorie die Entwicklung in den USA, wo am 4. November mit Alaska und Oregon weitere Bundesstaaten für die regulierte Freigabe von Genuss-Cannabis gestimmt haben. Jetzt darf in vier Staaten legal gekifft werden, in mehr als 20 Staaten ist "Medizinalhanf" zu haben. In den USA erwarten Analysten für dieses Jahr bereits einen Cannabis-Umsatz von rund 2,6 Milliarden Euro, was einem Plus von 63 Prozent entspricht. Von diesem Kuchen schneiden sich die amerikanischen TV-Sender mit Werbung für den legalen Rausch bereits eine ordentliche Scheibe ab, eine Moderatorin warf gar vor der Kamera ihren Job hin und wechselte öffentlich ins Marihuana-Metier. Wie ist das möglich? Die Amerikaner handhaben Weltanschauliches einfach lockerer. Klebt das Label "Bürgerinformation" auf der Reklame, dann darf ein Spot sogar fürs Kiffen werben.