5 Fragen an Synchronsprecher Jakob Riedl:
"Sowohl Kreative als auch Synchronfirmen haben verschlafen"
Gagen wie vor 40 Jahren? Jakob Riedl bestätigt "wahnwitzige Preismechanismen" bei der Dienstleistung Synchronisation.
Synchronsprecher Benjamin Völz hat kürzlich die niedrigen Gagen in seiner Branche beklagt, ein Niveau wie vor 40 Jahren angeprangert. Kommentatoren hielten mit lukrativen Aufträgen in der Werbung entgegen. Stimmt das? Wir haben bei Synchronsprecher Jakob Riedl in München nachgefragt. Er leiht zum Beispiel seit 1999 Randy Marsh seine Stimme, dem regelmäßig durchdrehenden Familienvater aus "South Park". Riedl ist aber auch in Serien wie "Lilyhammer", "Outlander" oder "The Fall" zu hören.
W&V Online hat Jakob Riedl mit 5 Fragen zur Lage bei Synchronsprechern konfrontiert.
Herr Riedl, Ihr Kollege Benjamin Völz hat kürzlich die schlechte Bezahlung von Synchronsprechern in einem Interview angeprangert. Viele Kommentare hielten dagegen und hoben die "Top-Honorare" in der Werbung entgegen. Spricht es sich für Reklame wirklich lukrativer?
Die Kommentatoren sind wirklich lustig. Wer synchronisiert, spricht deshalb noch lange nicht jeden Tag Werbung! Okay, Funk- und TV-Spots sind zwar im Schnitt höher dotiert als etwa Synchronrollen. Aber so oder so besteht der "Hauptberuf Sprecher" aus echter, oft harter Arbeit. Wer's nicht glaubt, kann es ja mal eine Woche lang unter realen Bedingungen ausprobieren, das ist meines Wissens nicht verboten. Außerdem befinden sich die Synchrongagen, im Gegensatz zu den Werbepreisen, tatsächlich im Dauersinkflug. In der Sparte fehlt seit Jahrzehnten jeglicher Inflationsausgleich.
Woran liegt es aus Ihrer Sicht, dass trotz der Flut an US-Inhalten – etwa durch neue Streamingplattformen – ein Preiskampf um die Dienstleistung Synchronisation entbrannt ist?
Das wüsste ich auch gern, nur wird mir leider schon beim Nachdenken schwindelig. Denn eigentlich steckt der derzeitige Auftragsboom ja voller Chancen. Die gesamte Synchronindustrie sollte viel selbstbewusster auftreten! Schließlich sorgen wir für die massenhafte Lokalisierung ausländischer Content-Produkte UND die unaufhörliche Bestückung sämtlicher deutschsprachiger Fernsehkanäle. Das alles kann man nicht einfach so in die Mongolei auslagern. Aber weil sowohl wir Kreativen als auch die Synchronfirmen richtig schlimm verschlafen haben, ist die blindwütige Preisschrauberei inzwischen ein Selbstläufer.
Sind Amerikaner härtere Auftraggeber?
Mit US-Firmen habe ich selbst noch nie verhandelt. Darum hier nur ein vorsichtiges "Keine Ahnung". Zwar deutet einiges darauf hin, dass internationale Verleihfirmen hier in Deutschland in Sachen Auftragsvergabe ein ziemlich freies Schussfeld haben. Längst legen aber auch deutsche Medienkonzerne die gleichen wahnwitzigen Preismechanismen und "Total-Buyout"-Verträge vor.
Können Sie es sich leisten, Aufträge abzulehnen?
Durchaus, es fliegen immer wieder kleinere Aufträge raus – etwa aufgrund von Terminkollisionen. Das ist aber unschädlich, man hat ja Kollegen. Delikater wird die Sache, wenn ich eine Rolle schon angetreten habe, sich der Produktionsstress aber bis zum Galeerensträflings-Tempo steigert. Ich kann meine vergleichsweise altmodische Detailversessenheit einfach nicht restlos abschalten! Dann treibt mich meine sehr schlechte Laune schon mal in den nächsten Stadtpark. Offenbar hat sich die Lage gerade in den vergangenen beiden Jahren zugespitzt, dagegen wehren geht kaum.
Wo lassen Sie Dampf ab?
Randy Marsh in "South Park" muss sich Folge für Folge furchtbar aufregen – auch und gerade über die Folgen der Globalisierung. Das verschafft mir als Synchronstimme, neben immensem Jux, ein Gefühl überirdischer Losgelöstheit. Andere machen für so etwas ein mehrtägiges Yoga-Seminar im Hunsrück.