Opferdarstellung:
Presserat tadelt "Spiegel"
Der Absturz des Fluges MH17 hat den Presserat auf den Plan gerufen. Bild Online, "Stern", "Bunte" und "Spiegel" werden wegen Verstößen gegen den Opferschutz gerügt.
30 Beschwerden waren zur Berichterstattung über den Flug MH17 beim Presserat eingegangen. Nun hat der Beschwerdeausschuss 2 seine Stellungnahme abgegeben. Identifizierende Abbildungen von Opfern in der Regel seien nicht mit dem Opferschutz vereinbar. "Die Argumentation einiger Medien, den Opfern ein Gesicht zu geben, ist nachvollziehbar, dennoch: Nur weil jemand zufällig Opfer eines schrecklichen Ereignisses wird, darf er nicht automatisch mit Foto in der Presse gezeigt werden", unterstrich Ursula Ernst, Vorsitzende des Ausschusses.
So erhielt Bild Online eine Missbilligung für die Berichterstattung "Ruhet in Frieden!". Diese war am 23 Juli erschienen und zeigte Opfer, deren Fotos mit zahlreichen Details aus ihrem Privatleben angereichert wurden. Ein öffentliches Interesse am Abdruck dieser Bilder bestand laut Presserat nicht. Einen Hinweis gab es auch für Veröffentlichungen im "Stern" ("Angriff auf uns") und auf Bunte Online ("Diese Familie wurde ausgelöscht"). Auch hier waren identifizierende Fotos von Opfern, bzw. einer Opferfamilie ohne Genehmigung erschienen. Mit Blick auf die weniger detaillierte Darstellung wurde hier jeweils ein Hinweis erteilt.
Eine Missbilligung ging an den "Spiegel". Dieser war für sein Cover der Nummer 31 in die Kritik geraten. "Stoppt Putin jetzt!" war am 27. Juli erschienen. Aus Sicht des Ausschusses wurden die Opferfotos auf der Titelseite für eine politische Aussage instrumentalisiert. Damit würde auch hier der Opferschutz verletzt, urteilte der Presserat. 18 Leser hatten sich über die Veröffentlichung beschwert.
In weiteren Beschwerden ging es um die Abbildung von Leichenteilen im Trümmerfeld. Hier gab der Presserat nicht den Beschwerden statt. Diese Fotos sind nicht unangemessen sensationell, urteilte der Ausschuss. Ursula Ernst kommentiert dazu: "Die Fotos dokumentieren eindringlich die schreckliche Dimension und die Folgen des Ereignisses. Sie sind noch akzeptabel, da kein Opfer erkennbar ist und die abgebildeten Situationen nicht unangemessen in der Darstellung hervorgehoben werden."
Übrigens: Auch der viel kritisierte islamkritische Kommentar der "Bild am Sonntag" von Ende Juli stößt dem Presserat auf. Der von "BamS"-Vizechef Nicolaus Fest verfasste Text verletze den Pressekodex, teilt das Gremium mit und erteilt eine Rüge. Die Grenze der Meinungsfreiheit werde "deutlich überschritten, indem alle Muslime unter einen Generalverdacht gestellt werden", sagt Ernst. "Die Angehörigen der Religion fühlen sich verständlicherweise diskriminiert." Mehr als 200 Leserbeschwerden seien beim Presserat dazu eingegangen.
In dem Kommentar vertrat Fest die Ansicht, der Islam sei ein Integrationshindernis. Unter anderem war die Rede von "totschlagbereiter Verachtung des Islam für Frauen und Homosexuelle". Der Artikel hatte bei Lesern und im Internet Empörung hervorgerufen. Zudem distanzierte sich der Springer-Verlag. "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann schrieb etwa: "Bei Bild und Axel Springer ist (...) kein Raum für pauschalisierende, herabwürdigende Äußerungen gegenüber dem Islam und den Menschen, die an Allah glauben."