Ärger nach ZDF-Satire:
"Nähe bedeutet nicht Verbrüderung": SZ-Replik auf Lobby-Studie
Eine Studie der Uni Leipzig, eine Satire in der ZDF-"Anstalt": Schon ist das Bild vom unabhängigen politischen Journalisten zerstört. Stefan Kornelius, Ressortleiter Außenpolitik bei der "SZ" in München, wehrt sich auf W&V Online gegen das Bild vom Alpha-Journalisten mit Lobby-Anhang.
Bisher hat Stefan Kornelius geschwiegen. Der Ressortleiter Außenpolitik der "Süddeutschen Zeitung" ist einer der Journalisten deutscher Leitmedien, denen die ZDF-Satiresendung "Die Anstalt" auf Basis einer Studie der Uni Leipzig zu viel Nähe zu politischen und wirtschaftlichen Eliten unterstellt hat. Seine "Zeit"-Kollegen Josef Joffe und Jochen Bittner haben sich per Gerichtsbeschluss aufgebäumt und das ZDF-Stück aus der Mediathek entfernen lassen. Kornelius wehrt sich nun auf W&V Online gegen das Bild, das der Studienverfasser Dr. Uwe Krüger von der Uni Leipzig vom politischen Journalisten zeichnet und das von "Der Anstalt" noch ausgeschmückt wurde.
Herr Kornelius, Sie gehören zu den vier Top-Journalisten, denen in einer Studie von Uwe Krüger und in einem ZDF-Satire-Betrag zum Thema zu viel Nähe zur Macht nachgesagt wird. Fühlen Sie sich jetzt korrupt?
Elite, Macht, Alpha-Journalisten – das sind doch nur Schlagworte. Niemand macht sich die Mühe, und schaut genauer auf die Studie. Da werden die Kontakte von 219 Journalisten untersucht. Allein schon diese Auswahl kann man hinterfragen. Dann die Ergebnisse, im Internet recherchiert: Altkanzler Helmut Schmidt ist als "Zeit"-Herausgeber angeblich weniger gut vernetzt als etwa ich. Am Ende schießt sich der Autor auf vier außenpolitische Journalisten ein, deren Kontakte er genauer untersucht. Warum gerade die vier? Warum diese einseitige Auswahl in der Kritik? Weil ihn offenbar ein politisches Motiv treibt.
Was stört Sie an der Studie der Uni Leipzig konkret?
Mich stört die Studie nicht wirklich, ich möchte nur, dass man sie genauer liest. Im Kern handelt es sich um eine politische Kritik der Berichterstattung von vier Zeitungen. Herr Krüger findet seine Denkschule in den außenpolitischen Texten der meisten Medien nicht wieder. Also stellt er die These auf, wir seien in unserer Denke abhängig oder einseitig geprägt. Zum Beleg hat er sage und schreibe 23 Texte aus meiner Arbeit von acht Jahren gefunden. Das ist mehr als dürftig. Herr Krüger ist politisch anderer Meinung, das betont er auch überall. Das ist sein gutes Recht. Problematisch finde ich, wenn die politische Kritik im Gewand einer wissenschaftlichen Arbeit daher kommt. Das schlägt sich im Netz nieder - bis hin zu Wikipedia, wo ein verzerrtes Bild entsteht.
Wie viel "Nähe zur Macht" braucht denn ein Ressortleiter Außenpolitik aus Ihrer Sicht?
Jeder politische Journalist sollte so nahe wie möglich am Gegenstand seiner Berichterstattung sein ohne seine Unabhängigkeit zu riskieren. Wir wollen doch wissen, wie die Entscheider ticken, warum sie etwas machen, wer sie berät, welchen Zwängen sie gehorchen. Das ist pure journalistische Neugier. Aber Nähe bedeutet doch nicht Verbrüderung. Die "SZ" garantiert mir eine gewaltige Unabhängigkeit, die ich nutze. Am Ende bin ich Journalist - nicht Politiker.
Kontakte über Think Tanks scheinen ja sehr wichtig für Ihre Arbeit zu sein. Gibt es Vorgaben, von welchen Gruppen Sie die Finger lassen sollten?
Ich lasse mich nicht für Parteiveranstaltungen einbinden und meide jede aktive Rolle in einem Theater, über das ich möglicherweise selbst einmal eine Kritik schreiben muss. Think Tanks, Forschungseinrichtungen, Stiftungen - das ist etwas ganz anderes. Hier wird – gerade in der Außenpolitik - eine Debatte ermöglicht. Da treffen sich zivilgesellschaftliche Akteure, Quellen, Denker, die einen Beitrag zur Öffentlichkeit leisten. Sollen wir Medien uns als wichtiger Teil dieser Öffentlichkeit selbst ausschließen? Eine absurde Vorstellung. Der Begriff "Lobby-Organisation" ist ideologisch motiviert. Ein bisschen mehr Fairness und weniger Konspiration und Skandalisierung in der Beurteilung dieser Institutionen hätte der "Anstalt" wie der Leipziger Studie gut getan.
Was gibt es aus Ihrer Sicht an der außenpolitischen Berichterstattung deutscher Medien zu verbessern?
Die Außenpolitik hat in den letzten Jahren einen gewaltigen Sprung in der öffentlichen Debatte getan. Die Medien sind - verglichen mit anderen Ländern - richtig gut informiert und mit vielen Korrespondenten in aller Welt nah dran. Trotzdem holt das Land immer noch nach - Außenpolitik war eben viele Jahrzehnte lang ein Nischengeschäft. Die Studie ist ein Beleg dafür, dass wir uns noch besser erklären müssen und der Debatte nicht verweigern dürfen. Besser wäre es allerdings gewesen, der Autor hätte das Gespräch gesucht, bevor er seine Hypothesen aufgeschrieben hat.