Was er in Silicon Valley gelernt habe? "Mit Umarmungen vorsichtiger zu sein", schmunzelt der "Bild"-Mann. Gemeint ist seine recht stürmische Begrüßung mit Vizekanzler Rösler, die in Deutschland für Aufsehen gesorgt hatte. Kraft bleibt da eher cool. "Und Diekmann hat keine Anstalten gemacht", heißt es in ihrem Tross. Doch das war nur der launige Einstieg, das Thema sinkende Printauflagen und Suche nach neuen Erlösmodellen ist ernst. Fast eine Stunde doziert Diekmann, Kraft hört zu. Er kommt regelrecht ins Schwärmen, wenn er an seine Zeit in Kalifornien denkt. "Ungeheuer experimentierfreudig" gehe es hier zu. Es gebe nicht diese Bedenkenträger wie in Deutschland, nicht dieses  nervige "Ja, aber". Wenn es zu Hause um Neuerungen gehe, werden "zu allererst die Risiken" erörtert.

Auch mit seiner eigenen Zunft geht er hart ins Gericht. Sei ja schon merkwürdig: Da predigten die Medien stets den Wandel, doch wenn es sie selbst erwische, "dann haben sie Probleme". Er selbst sei ja in gewisser Weise auch noch ein Mann von gestern. Wenn er hier im High-Tech-Eldorado ins Flugzeug steige, sei er fast der einzige, der noch eine gedruckte Zeitung bei sich habe. Nach den vielen Terminen mit US-Experten und Einblicken in die Start-up-Szene des Silicon Valley ist sich Diekmann sicher: "Die nachfolgende Generation wird gar nicht mehr auf die Oberfläche Papier sozialisiert sein."

Diekmann braucht im Gespräch nicht lange, bis er zum Punkt kommt, zur Kardinalfrage, die viele Zeitungsmacher umtreibt: Wie lässt sich in der digitalen Welt für Zeitungen Geld verdienen? "Bild" mache dabei bekanntlich erste Versuche, seine Online-Nutzer zur Kasse zu bitten, sie sollen für die Inhalte im Netz zahlen. "Wenn es dem Axel Springer Verlag nicht gelingt, paid content durchzusetzen, ist das für alle eine schlechte Nachricht", glaubt Diekmann.

Seit zwölf Jahren ist er jetzt der Chef der auflagenstärksten Zeitung Deutschlands. Bei seinem Arbeitsausflug hatte er in den USA rund ein Dreivierteljahr Zeit und Muße, um über die Zukunft der Medien nachzudenken. Er weiß, dass er bei der Rückkehr kein Patentrezept im Gepäck hat, dass es keine fertigen Lösungen gibt. Die Unsicherheit wird noch einige Zeit andauern.

"Das ist ein großes Experiment", meint der Rückkehrer. Doch ein paar Beben will er schon auslösen beim eigenen Blatt. Dabei vermutet Diekmann, dass es nicht leicht sein dürfte, den Schwung von Silicon Valley zu Hause umzusetzen. "Die große Frage", meint er nachdenklich: "Schaffst du das?"

Für sein Image nutzt Springer den Manager-Ausflug ins Silicon Valley jedenfalls jetzt schon. Mit drei neuen Recruiting-Videos inszeniert sich der Konzern als digitales Medienunternehmen und erfindet dabei in bester Start-up-Manier "Axel Springers Garage", mit der angeblich alles angefangen habe. Außerdem kündigte das Unternehmen an, künftig regelmäßig Mitarbeiter nach Kalifornien zu schicken. Das Programm heißt "Visiting Fellows". Im Juni 2013 darf Michael von Stern, 44, Leiter Commerce im Geschäftsführungsbereich Elektronische Medien, seinen dreimonatigen Aufenthalt im Silicon Valley antreten. Auf ihn folgen ab September 2013 Frank Schmiechen, 50, und Thomas Drensek, 53. Frank Schmiechen ist Stellvertretender Chefredakteur der "Welt"-Gruppe und innerhalb der Chefredaktion insbesondere für die "Welt am Sonntag" zuständig. Thomas Drensek ist Werkleiter der Offsetdruckerei Ahrensburg und Leiter der Kundenbindung bei Axel Springer.

Noch bis Ende Juli 2013 ist Christoph Keese, 48, Senior Vice President Investor Relations und Public Affairs, im Silicon Valley.  

(fm/dpa)


Franziska Mozart
Autor: Franziska Mozart

Sie arbeitet als freie Journalistin für die W&V. Sie hat hier angefangen im Digital-Ressort, als es so etwas noch gab, weil Digital eigenständig gedacht wurde. Heute, wo irgendwie jedes Thema eine digitale Komponente hat, interessiert sie sich für neue Technologien und wie diese in ein Gesamtkonzept passen.