Axel Springer:
Darum verzichtet "Bild" komplett aufs Bild
Die Macht des Bildes: Zum Nachdenken bringen will "Bild" mit dem kompletten Verzicht auf Fotos in der Dienstagsausgabe. Auch das Springer-Blatt hat zuvor das Bild des ertrunkenen Flüchtlingskindes Aylan gezeigt.
Springers "Bild" ist am Dienstag komplett ohne Fotos erschienen. "Wir wollen damit zeigen, wie wichtig Fotos im Journalismus sind", heißt es in der Boulevardzeitung zur Begründung. Als Beispiel nennt das Blatt das Bild des ertrunkenen Flüchtlingskindes Aylan. Die "Bild" hatte rund um das traurige Motiv vergangene Woche eine Art Traueranzeige gestaltet und die letzte Seite dem kleinen Jungen gewidmet.
In den vergangenen Tagen hat es nun eine Mediendiskussion darüber gegeben, ob es richtig ist, das Bild zu veröffentlichen. Einige Medien zeigten nur den Hinterkopf des Kindes, andere das Kind frontal mit verpixeltem Gesicht. Wieder andere Zeitungen und Portale zeigten das Bild gar nicht. Über die Macht der Fotos schreibt die "Bild" nun: "Sie wecken Emotionen in uns. Sie zeigen schöne Momente, aber auch grausame. Sie lassen uns mit anderen Menschen mitfühlen." Fotos könnten auch beweisen, was Mächtige verstecken wollten.
"Bild" stehe immer wieder für die Veröffentlichung umstrittener Fotos ein - nicht selten gegen Widerstände, erklärte dann auch "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann. "Oft hören wir die Forderung, Fotos gar nicht oder nur verpixelt zu zeigen, weil sie menschliches Leid zu drastisch
dokumentieren. Dieses Argument übersieht den wichtigsten Punkt: Nicht das Foto stellt die würdelose Situation her, sondern der Krieg oder
die Ignoranz der Politik oder unsere Feigheit davor einzuschreiten."
Dort, wo sonst Fotos gedruckt sind, und auch in der Onlineausgabe sind am Dienstag unter der Marke "Bild" graue Flächen zu sehen. "In der Zeitung und in unseren digitalen Kanälen verzichten wir auf Bilder", hieß es. Lediglich die Werbeanzeigen sind wie gewohnt zu sehen.
Via Twitter verbreitet "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann die Aktion:
...das sieht heute alles mal ganz anders aus bei uns...@BILD http://t.co/dg0NjVTXmJ pic.twitter.com/M9dfcc5Wdi
— Kai Diekmann (@KaiDiekmann) September 8, 2015
Im Social Web erntet das Thema auch viel Kritik, sorgt aber für Furore:
#BILDohneBilder: Toptweet... http://t.co/NnVwfjN6Wk #toptweet
— Deutsche TopTweet (@DeTopTweet) 8. September 2015
Zeitungsforscher Horst Röper vom Dortmunder Formatt-Institut sagte, er habe Verständnis für die Medien, die das Bild des toten Flüchtlingskindes gezeigt haben. "Es ist ein emotional sehr aufrüttelndes Foto, das einen Sachverhalt sehr genau beschreibt, weil es ihn auf die Spitze bringt", so Röper. "Aber man kann sich dann immer noch fragen - und das ist Aufgabe jeder Redaktion - welches Foto nehmen wir? Muss man das Gesicht des Kindes zeigen? Nein, muss man sicherlich nicht. Ein Foto beispielsweise von hinten transportiert aus meiner Sicht den gleichen Inhalt", sagte der Forscher. ps/dpa