Internet-Phänome:
Woher kommt der Shitstorm?
Wer hat's erfunden? Sascha Lobo behauptet, er habe den Begriff "Shitstorm" verbreitet, die Deutsche Presse-Agentur forscht nach den Ursprüngen des Wortes und wird im Jahr 1948 fündig.
Erst schlug die Nachrichtenagentur dpa vor, heuer den 50. Geburtstag des Wortes "Shitstorm" zu feiern. Sie verortete die erste Erwähnung des Begriffs im Jahr 1963. Inzwischen hat sie ihre Meldung korrigiert - und verweist sogar auf 1948. Wir müssten also entweder 65 Jahre Shitstorm feiern oder noch fünf Jahre auf den nächsten runden Geburtstag warten.
Nachdem sich Sascha Lobo auf "Spiegel Online" dafür entschuldigte, den Begriff in die deutsche Alltagssprache gebracht zu haben, machte sich dpa auf die Suche nach dem Ursprung dieses Wortes. Fündig wurde die Nachrichtenagentur zunächst in dem Roman "Cat's cradle" von Kurt Vonnegut. Das Buch des amerikanischen Autors erschien 1963 und handelt von der Zerstörung der Welt durch eine chemisch-physikalische Superwaffe. Vonnegut schildert darin eine fiktive Religion, die auf einer ebenfalls fiktiven kleinen Karibikinsel von einem Religionsstifter namens Bokonon begründet wurde. Diese Religion, der "Bokononism", hat einen eigenen religiösen Wortschatz. Dazu gehört der Begriff "pool-pah". Bokonon schlägt in dem Buch dazu zwei mögliche Übersetzungen ins Englische vor: "Wrath of God", also Zorn Gottes, oder eben "shit storm". In der deutschen Übersetzung des Buches wurde daraus "Orkan von Scheiße".
Doch wie dpa inzwischen meldet, kam der Begriff schon in Norman Mailers Roman "Die Nackten und die Toten" im Jahr 1948 vor. In dem Buch, das im Zweiten Weltkrieg spielt, stand der "shit storm" für eine brenzlige Gefechtssituation. "Es scheint mir deshalb wahrscheinlich, dass das Wort aus dem amerikanischen Soldaten-Slang des Zweiten Weltkriegs stammt", schrieb der Hamburger Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch, der an der Wahl des Wortes zum "Anglizismus des Jahres" 2011 beteiligt war.
Auch wenn der Begriff "Shitstorm" heute für die zügellose Entrüstung im Internet steht, unter der zuletzt die Deutsche Telekom und Fußballer Mario Götze zu leiden hatten, wurde er also schon vor der Erfindung des Internets verwendet. Doch jahrzehntelang dämmerte er in Kurt Vonneguts Roman vor sich hin, ohne dass er besonders beachtet wurde. Bis Sascha Lobo kam. Er geht davon aus, wesentlich zum Aufschwung des Wortes beigetragen zu haben. Im Januar 2010 erstellte Lobo einen Blog-Beitrag über das Phänomen als Vorbereitung eines Vortrags, den er kurz darauf bei der Internet-Konferenz re:publica hielt. Dieser Blog-Eintrag sei der erste zum Thema "Shitstorm" gewesen, meint Lobo. Er selbst habe das Wort "vermutlich im Herbst 2009 aufgeschnappt", erklärt der Blogger - ohne näher zu bestimmen, wo das gewesen sein könnte.
fm/dpa