Collaborative Consumption:
Wie Kleiderkreisel die Masse erreicht
Keine klassischen Kampagnen, dafür viel Facebook, Mund-zu-Mund-Propaganda, kreative Kunst-Aktionen und eine starke Community verschafften Kleiderkreisel eine Million Mitglieder.
Für manche Besucher sind Musikfestivals so etwas wie der heimliche Karneval oder Fasching – die Outfits sind mitunter ziemlich kreativ und albern. Alleine aus diesem Grund sind Musikfestivals für die Second-Hand-Plattfom Kleiderkreisel ein ideales Umfeld für Marketing-Aktionen. Außerdem trifft das Startup hier direkt mit seiner jungen Zielgruppe zusammen. Auf zwei Festivals, dem Melt bei Dessau und dem MS. Dockville Festival in Hamburg hat das Unternehmen in diesem Sommer daher seine Zelte aufgeschlagen. In Hamburg war es ein Tipi, gebaut aus Kleidungsstücken von der Kleiderkreisel-Community. Im Vorfeld startete Kleiderkreisel dazu eine Kampagne auf Instagram und sammelte unter dem Hashtag #Zuvielzeug Klamotten für die Kunstaktion. Das Berliner Künstler-Kollektiv Crystalmafia machte bei den Festivals aus den Kleiderbergen interaktive Happenings und drehte dazu ein Video.
Solche Aktionen sind allerdings die Ausnahme bei Kleiderkreisel. Klassische Kampagnen sieht man von dem Startup erst recht nicht. Trotzdem konnte der Online-Flohmarkt kürzlich sein millionstes Mitglied feiern. Geht man von der durchschnittlichen Kleiderkreisel-Kundin aus, war es wahrscheinlich eine Facebook-affine junge Frau in den 20ern. In der Community kann sie ihre eigenen Second-Hand-Klamotten verkaufen, verschenken, gegen andere Kleidungsstücke tauschen oder sich einfach nur mit anderen Userinnen im Forum über Mode, Shopping oder Kosmetik austauschen.
"Unsere Schränke sind voller Kleider, aber wir kaufen und kaufen", sagt Sophie Utikal, eine der Gründerinnen. "Mit Kleiderkreisel wollten wir eine Alternative schaffen, um Konsum in neue Bahnen zu lenken. Statt neu zu kaufen, werden ungenutzte Kleider an neue Besitzer weitergegeben." Professionelle Händler wie bei Ebay haben keine Chance bei Kleiderkreisel. Auch Selbstgenähtes wie bei Dawanda oder Etsy hat hier keinen Platz – Utikal und ihre Kollegen wollen keine kommerziellen Angebote auf der Plattform. Für die Mitglieder fallen auch keine Gebühren an. Kleiderkreisel schreibt nach eigenen Angaben schwarze Zahlen, zählt 100 Millionen PIs im Monat und finanziert sich allein durch Online-Anzeigen. Die Vermarktung übernimmt seit Mai 2012 Glam Media.
Einige neue Anbieter drängen momentan auf den Markt der sogenannten "preloved Fashion". Plattformen wie Glamloop , Secondglam oder Rebelle legen den Fokus auf gebrauchte Designer- und Luxus-Mode. Bei Kleiderkreisel findet man zwar auch große Marken, die Masse aber machen günstigere Alltags-Stücke. "Wir unterschieden uns außerdem durch die starke Community", sagt Utikal. Die Kleiderkreisel-Mitglieder sind sehr aktiv im Forum und nutzen Facebook stark. Um ihre eigenen Kleidungsstücke besser zu verkaufen, präsentieren sie ihre Angebote auf Facebook, machen die Marke so bekannter und tragen zum Wachstum bei.
Seit 2009 gibt es Kleiderkreisel in Deutschland. Anfang Januar 2010 hatte der Second-Hand-Markt die ersten 1.000 Mitglieder, ein Jahr später ist die Mitgliederzahl durch Mundpropaganda auf 40.000 angestiegen. Noch im Sommer 2012 waren es 270.000 User. Richtig Fahrt aufgenommen hat das Mitgliederwachstum, seitdem es auch eine App dazu gibt, erklärt die 25-Jährige Gründerin.
Sophie Utikal und Susanne Richter haben das Konzept aus Litauen mitgebracht, wo Justas Janauskas damals schon eine ähnliche Kleidertauschbörse betrieb. Die jungen Frauen übernachteten als Couchsurfer bei ihm und waren von der Idee begeistert. "Die Geschichte stimmt wirklich, auch wenn wir immer wieder gefragt werden, ob das nur ein PR-Gag sei", sagt Utikal.
Inzwischen gibt es auch schon die erste Line-Extension. Seit Oktober 2012 ist Mamikreisel.de online, ein digitaler Flohmarkt für Kinder- und Schwangerschaftskleidung, Spielzeug und Babyausstattung. Ein halbes Jahr nach dem Start zählte die Plattform schon 85.000 Mitglieder.
Auch Kleiderkreisel selbst wächst. "Wir haben am Anfang ja alles selbst gemacht, Marketing, Pressearbeit, Communitymanagement", erklärt Utikal, die amerikanische Kulturgeschichte studierte. Inzwischen hat Kleiderkreisel Werkstudenten und mit Sweet Communication eine PR-Agentur. Ihre Presse-Referentin Julia Schütz von Sweet Communication hat auch schon einen Wunsch für die nächste Plattform: "Möbelkreisel". Das jedoch wird es in nächster Zeit nicht geben, sagt Utikal.