Gastbeitrag von Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach:
Warum Facebook noch lange nicht am Ende ist
"Der Hofnarr ist ein Hofnarr ist ein Hofnarr", so urteilt der Hamburger Social-Media-Kenner Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach über Kevin Roberts' These vom bevorstehenden Facebook-Untergang. Eine Replik auf den Saatchi-Chef.
"Der Hofnarr ist ein Hofnarr ist ein Hofnarr", so urteilt Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach (@luebue), Management Supervisor Digital Communications bei Achtung, über den Saatchi & Saatchi-Chef Kevin Roberts, der kürzlich dem sozialen Netzwerk Facebook nur noch eine Rest-Lebenszeit von drei Jahren prophezeite. Hier ist seine Replik auf Kevin Roberts.
Der Hofnarr ist ein Hofnarr ist ein Hofnarr
von Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach
Ich bin ja um steile Thesen nie verlegen. Und zugleich ist es fast schon billig, anzunehmen, dass Facebook, wie wir es als Social Network heute kennen, nicht ewig tonangebend sein wird. Ich selbst postulierte schon oft und immer wieder gerne, dass es auf Dauer so nicht überleben wird. Trotzdem ist die Prognose von Saatchi & Saatchi-Chef Kevin Roberts falsch. Und ihre Voraussetzungen noch mehr.
Etwas holzschnittartig lässt sich meine Position vielleicht so zusammen fassen: Ich bin überhaupt nicht bange, was die Zukunft von Facebook als Firma angeht. Daran ändert auch nichts, dass ich die Zukunft von Facebook, dem Netzwerk, sehr kritisch sehe.
Ja, die Geschwindigkeit, mit der Facebook, das Netzwerk, junge Leute verliert, ist beeindruckend. Die Piper Jaffray-Studie spricht eine deutliche Sprache, die jede, die mit Jugendlichen zu tun hat, sicher privatempirisch bestätigen kann. Nur gehen die jungen Leute – zu Facebook, der Firma. Denn allein Instagram wächst in gleicher Geschwindigkeit.
Damals, als Facebook Instagram kaufte, nannte ich das ein Schnäppchen. Und in den Jahren danach stellte sich immer mehr heraus, dass es das wirklich war. Dass der Kauf von Whats App jetzt endlich unter Dach und Fach ist, tut da ein Übriges. Ebenso, dass Facebook das Chatten und Nachrichtenschreiben auf den Mobilgeräten aus der eigentlichen App rausgelöst hat, ist ein Schritt, der mich für die Zukunft des Unternehmens so optimistisch macht. Im Zuge der App-isierung der Kommunikationsbedürfnisse der nächsten Generation hat das Unternehmen Facebook viel richtig gemacht.
Daran ändert auch nichts, dass das Netzwerk Facebook in den Augen vieler Nutzerinnen mehr und mehr zu einer Art QVC wird. Mein Team und ich betrachten es auch nicht mehr eigentlich als Social Media – sondern als einen hochperformanten Performance Kanal. Dass da (um auf Kevins anderen Hofnarr-artigen Punkt zu kommen) die Kreativität anders funktioniert als bei klicki-bunt-Markenkommunikation, versteht sich.
Facebook schwächelt, hat aber auch vieles richtig gemacht
Die Unzufriedenheit vieler, aber längst noch nicht der meisten, Nutzerinnen des Netzwerks Facebook wächst, ja. Dass sie ihren Algorithmus zumindest für Heavy User nicht in den Griff bekommen. Dass sie gerade stilbildende Gruppen verlieren (wie aus der Gay Community). Dass und wie sie im Steve Jobs'schen Sinne Freiheit definieren ("Freiheit ist die Freiheit von Pornografie"). Dass sie die für viele Teile der digitalen Eliten wichtige Unterscheidung von "anonym" und "pseudonym" ignorieren. All das gefährdet die Akzeptanz des Netzwerks mittelfristig, sicher. Wie das Unternehmen mit den Veränderungen der Kommunikationsbedürfnisse aber bisher umgegangen ist, führt dazu, dass ich sie trotzdem nicht abschreibe.
Anfang des Jahres habe ich sehr steil behauptet, Facebook würde implodieren. Das stimmte selbstverständlich schon damals nicht wirklich. In Teilen meiner eigenen Peer-Group implodiert es zwar gerade, aber das ist ja nicht der Massenmarkt. Und für mich als Kommunikator und Strategen ist Facebook sicher noch lange Zeit ein idealer Kanal, um kaufkräftige Erwachsene über sehr präzises Targeting und Retargeting stabil zu erreichen. Selbst wenn es kein Social Media mehr ist.
Und für Social Media und Kreativität haben wir ja Instagram, Blogs, Snapchat, YouTube und was da noch kommt gerade und was ich für mich behalte.
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