Volvo-Spot:
Viraler Volltreffer "Epic Split": Die Analyse von Markus Hündgen
Der Volvo-Clip "Epic Split" ist kein Viral-Hit von der Stange. Bewegtbild-Guru Markus Hündgen alias "Videopunk" hat sich den Spot für W&V genauer angesehen und erklärt, warum Volvo damit in einer anderen Liga spielt.
Der Volvo-Clip "Epic Split" ist kein Viral-Hit von der Stange. Bewegtbild-Guru Markus Hündgen* alias "Videopunk" hat sich den Spot für W&V genauer angesehen und erklärt, warum Volvo damit in einer anderen Liga spielt.
Mit seinen bis dato 40 Millionen Abrufen gehört Volvos "Epic Split" bereits eine Woche nach Veröffentlichung zu den meistbeachteten Werbeclips der letzten Jahre. Doch was macht diesen Online-Spot so episch erfolgreich?
Gleich zu Anfang sei geschrieben: Ja, der Spot überzeugt in so ziemlich allen klassischen Kriterien. Er wirkt hochqualitativ produziert, punktet mit einem bekannten Gesicht ("JCVD"), setzt auf einen Pop-Evergreen (Enyas "Only Time") und nicht zuletzt fasziniert er mit einem spektakulären Stunt. Also alles beim Alten und ab damit in die Schublade "Viral Hit"? Mitnichten. Der "Epic Split" spielt insbesondere mit seinem Netzbezug in einer anderen Liga.
Schauen wir uns zuvor kurz den Aufbau des Videos an. Während wir in den ersten Sekunden noch nicht wissen, was auf uns zu kommt, lauschen wir den autobiographischen Worten Van Dammes. Gut gemacht von Volvo: In so ziemlich jeder Sprache bieten sie ein Transkript an - auf YouTube dann zuschaltbar als Untertitel. Die ersten Worte lesen sich so:
"Ich bin durch Höhen und Tiefen gegangen – und habe unzählige Schlaglöcher und Windböen erlebt. Das hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Jetzt stehe ich hier vor dir."
Da hat sich jemand tatsächlich Gedanken gemacht. Und den beruflichen Absturz und das Comeback des Belgiers charmant in eine Verbindung mit dem drögen Thema LKW gesetzt.
Wenn dann Van Damme die Augen öffnet, die Kamera herauszoomt, der Spagat einsetzt - ertönt "Only Time" von Enya, den meisten wohl eher noch als "9/11"-Trauersong bekannt. Aber auch hier lohnt sich das genaue Hinhören: "Who can say where the road goes, where the day flows - only time". Und wieder hat sich jemand Gedanken gemacht. Derweil fährt Van Damme im Spagat dem Sonnenaufgang entgegen. Achja: Natürlich wäre dies alles ohne die LKW-Steuerungstechnik Volvos nicht möglich gewesen. Eine Botschaft, die sitzt.
All dies reicht eventuell für einen kleinen viralen Hit von der Stange, wie ihn die Coca-Colas dieser Welt mit steigender Frequenz ins Netz kippen. Nicht genug für Volvo.
Das beginnt bei der Auswahl Jean-Claude Van Dammes. Die "Muscles from Brussels" genießen bereits seit Jahren Kultstatus unter netzaffinen jungen Leuten ("JCVD"). Ein Phänomen, was bisher schon Retro-Größen wie David Hasselhoff ("The Hoff") und Chuck Norris wieder an die Medienoberfläche gespült hat. Und taucht man etwas tiefer in die Trucker-Szene ein, kommt insbesondere in US-Fachforen ein zweiter Faktor hinzu: Nicht nur junge Leute dort stehen auf die Actionstars der 80er. Was Stallone mit seinem All-Star-Film "Expendables" losgetreten hatte, zieht nun weitere Kreise. Nach Schwarzenegger und Stallone im aktuellen Hollywood-Streifen "Escape", kommen die B-Movie-Stars jetzt wieder ans Licht. Bleibt die Frage, welches Unternehmen sich Steven Seagal für einen Clip gönnen wird. Volvo verfolgt eine ganz eigene Strategie, wie sie gegenüber dem Wall Street Journal erklären: "We need to target not only truck drivers, but future truck drivers. Young people who are facing a choice of a future career”.
Volvo, anders als viele Unternehmen, dockt sich also mit "JCVD" an bereits bestehende Diskussionen im Netz an. Zuhören, erst dann reagieren und mitreden. Ganz im Sinne der Netzdiskussionskultur.
Dieses Netzverständnis spiegelt sich auch in der Überschrift des YouTube-Videos wieder. Welch genialer Einfall, dem Clip mit "Epic Split" im Titel direkt einen optimalen Hashtag mitzugeben. Mit Erfolg: Auf Twitter läuft #epicsplit seit einer Woche heiß. Truly epic!
Der größte Verdienst Volvos ist damit, ein eigenes Mem geschaffen zu haben, einen Gedankencontainer, der - als "Epic Split" - für mehr steht, als nur ein spektakulärer Stunt mit einem Action-Star der 80er und 90er. Erfolgreich und nachhaltig ist ein Mem vorallem dann, wenn es mutiert. Erste Mutation: Die Rob-Ford-Parodie des Volvo-Spots mit fast einer Millionen Abrufen bereitete den Weg für weitere mehr oder weniger lustige Adaptionen. Ein Running Gag für die Netzewigkeit.
Vorbildlich in dieser Hinsicht auch das Agieren Volvos auf YouTube selbst: Für "epische" 30 Millionen Abrufe wird sich prompt bei den "Fans" bedankt, entgegen des Branchentrends sind einige Statistiken des Videos auf YouTube öffentlich einsichtbar - und dokumentieren das "gesunde" Wachstum der Abrufzahlen. Ein Anschieben durch gekaufte Abrufe und Viral-Video-Dienste scheint so zumindest nicht stattgefunden zu haben. Ebenfalls nachahmenswert: Der "Epic Split" wurde im Vorfeld mittels eines Teaser-Videos angekündigt. Mehr Hintergründe und Interviews zum Clip gibt es als Video im "Auto Channel". Der Split selbst ist (krönender) Abschluss einer gelungenen YouTube-Serie mit Tests der neuen LKW-Technologien. Worauf jetzt alle sehnsüchtig warten, ist das Making-Of des Epic Splits - damit vielleicht auch endlich die Frage aller Fragen beantwortet werden kann: War der Stunt echt? (Volvo sagt - natürlich - ja. Mit Einschränkungen.)
Fazit: Volvos Weg führt nicht mit Garantie zum Erfolg - aber birgt mehr Chancen, als weiter alte Pfade zu beschreiten. Wenn mehr Unternehmen und ihre Agenturen besser zuhören würden, dürfte sich der Zuschauer über mehr epische Werbeclips freuen. Und diese millionenfach teilen. Kostenlos.
*Markus Hündgen ist Chef der European Web Academy und der Kopf hinter dem Deutschen Webvideopreis. Er twittert unter @videopunk.