Start-Up:
"Ohne Großunternehmen würde das Start-up-Ökosystem nicht funktionieren"
Um Einblicke in aktuelle technologische Innovationen zu gewinnen, investieren zahlreiche Großunternehmen in Start-ups. Und gründen dazu eigene Venture-Töchter. Über die Gründe dieser Entwicklung und die Bedeutung der Corporate-Venture-Unternehmen für die deutsche Start-up-Szene sprach W&V-Autor Franz Scheele mitJörg Binnenbrücker, Initiator von und Managing Partner bei Capnamic Ventures in Köln.
Um Einblicke in aktuelle technologische Innovationen zu gewinnen, investieren zahlreiche Großunternehmen in Start-ups. Und gründen dazu eigene Venture-Töchter. Über die Gründe dieser Entwicklung und die Bedeutung der Corporate-Venture-Unternehmen für die deutsche Start-up-Szene sprach W&V-Autor Franz Scheele mit Jörg Binnenbrücker, Initiator von und Managing Partner bei Capnamic Ventures in Köln.
Herr Binnenbrücker, in den vergangenen fünf Jahren ist die Zahl der Corporate-Venture-Unternehmen in Deutschland sprunghaft gestiegen. Wie ist das zu erklären?
Ich würde das so erklären: Die Verlagsbranche ist Ende der 90er-Jahre als erste Branche von der Digitalisierung unserer Gesellschaft kalt erwischt worden. Die Chancen des Internets wurden damals von den Verlagen nicht rechtzeitig erkannt, zum Teil sogar eher als Risiko gewertet. Das war die Chance für neue, innovative Start-ups. Viele klassische Geschäftsmodelle sind damals online gegangen und wurden von neuen Wettbewerbern aufgegriffen, etwa der gesamte Kleinanzeigenmarkt. Den Usern folgten im nächsten Schritt die Werbegelder ins Internet. In der Folge haben die Verlage eigene Digitaleinheiten gegründet und es mit firmeneigenen Ausgründungen versucht. Hierfür gibt es aber nur wenige erfolgreiche Beispiele. Die meisten dieser Versuche sind gescheitert.
Weshalb?
Die Gründe dafür sind vielseitig: mangelnde Incentivierung des Managements, fehlendes Know-how, organisatorische und politische Hindernisse. Der nächste Schritt war der Aufbau eigener, relativ unabhängig agierender VC-Einheiten: Acton Capital bei Burda, Holtzbrinck Ventures, BDMI bei Bertelsmann, DuMont Venture, TheMediaLab. Die Strategie der Investoren war und ist dabei durchaus unterschiedlich. Es gibt strategische oder aber finanzielle Zielvorgaben.
Aber die Gründung von Venture-Capital-Töchtern beschränkt sich keineswegs auf die Medienbranche.
Richtig. Mit der Evolution des Internets und der zunehmenden Verbreitung und Konnektivität der internetfähigen Endgeräte wurden immer mehr Branchen von der Digitalisierung erfasst: Entertainment, Einzelhandel, Telekommunikation. Klassische Industriegrenzen wurden aufgebrochen und neue Märkte zugänglich gemacht. Hinzu kommt ein völlig verändertes Nutzerverhalten. In der Folge haben wir in den letzten Jahren mehr und mehr Corporates aus unterschiedlichen Branchen beobachtet, die sich in den neuen Medien engagieren oder über Investments versuchen, an den Chancen dieser Entwicklung zu partizipieren.
Wie ist es denn zur Gründung von Capnamic Ventures gekommen?
Die Entwicklung im Digitalbereich war auch der Impulsgeber für die Idee zu Capnamic Ventures. Als Multi-Company-Fonds haben wir vor zwei Jahren angefangen, Corporates aus verschiedenen Branchen in unserem Fonds zu vereinen und so ein Netzwerk mit einzigartigem Mehrwert um unsere Portfolio-Unternehmen aufzubauen. Die Corporate-Investoren profitieren dabei von den Learnings aus fünf Jahren Corporate Venture Capital bei DuMont, bestehenden Netzwerken und Infrastruktur sowie natürlich der Risikodiversifikation. Start-ups profitieren von den Zugängen zu den Corporates, ohne sich in eine strategische Abhängigkeit zu begeben.
In Deutschland ist der Markt der klassischen Venture-Capital-Unternehmen stark konsolidiert. Vielfach haben Start-ups Probleme, eine Serie-A-Finanzierung zu erhalten oder Investoren für spätere Finanzierungsrunden zu finden. Welche Rolle spielen hier die Venture-Töchter von Unternehmen?
Die Corporates spielen hierzulande eine extrem wichtige Rolle für die Gründerszene, sowohl als Investoren als auch als potenzielle Käufer. Ohne sie würde das Ökosystem nicht funktionieren. Insofern ist das zunehmende Engagement in allen Phasen für den Gründerstandort Deutschland sehr zu begrüßen. Nichtsdestotrotz gibt der Markt deutlich weniger Kapital her als beispielsweise in den USA oder Großbritannien. Das hat kulturelle, historische und wirtschaftliche Gründe. Besonders knapp ist das Kapital in typischen A-Runden zwischen 500.000 und vier Millionen Euro. Genau hier bewegen wir uns mit Capnamic. Größere Anschlussfinanzierungen kann man auch gut über ausländische Investoren darstellen. Frühphasen-Investments werden aber in aller Regel regional abgewickelt.
Welche Investment-Strategie verfolgt Capnamic dabei?
Wir sehen uns als klassischen A-Runden-Investor. Wir sind in der Regel der erste institutionelle Investor und investieren in der ersten Runde zwischen 500.000 und zwei Millionen Euro. Wir suchen Unternehmen entlang der digitalen Wertschöpfungskette, deren Produkte über digitale Kanäle vertrieben und skaliert werden können. Dabei verstehen wir uns als wertstiftender Partner auf Augenhöhe und unterstützen die Unternehmen mit unserem Netzwerk und Know-how.
Wer investiert in Ihre Fonds?
Der Großteil unserer Investoren sind mittelständische Unternehmen, die an einem Austausch und Partnerschaften mit Start-ups interessiert sind. Capnamic Ventures stellt insofern die Weiterentwicklung von DuMont Venture dar: Statt einem Netzwerk-Partner bieten wir unserem Portfolio nun einen Strauß an starken Partnern. DuMont ist dabei weiter als Investor von Capnamic dabei. Das DuMont-Venture-Portfolio wird vom gleichen Team unter neuem Namen, nämlich Capnamic, verwaltet. Neue Investments werden jetzt aus dem Capnamic-Fonds getätigt. Der hat eine für Fonds typische Laufzeit von zehn Jahren, wobei die ersten fünf Jahre intensiv investiert wird. Wir rechnen mit etwa 15 Beteiligungen und peilen eine attraktive Rendite für unsere Investoren an.