Der Postillon:
"Mit der Zahl der Fans steigt auch die Zahl der Idioten"
Man kann sich über die Kommentarkultur im Netz ärgern - oder man kann den Facebook-Nutzern ihre vermeintliche Überlegenheit satirisch vor Augen halten, wie das der Postillon gemacht hat. W&V Online hat mit dem Postillon-Erfinder Stefan Sichermann darüber gesprochen, wie er die Kommentarkultur im Netz wahrnimmt und warum er bei den Headlines auf das Gegenteil des Heftig-Styles setzt.
Man kann sich über die Kommentarkultur im Netz ärgern - oder man kann den Facebook-Nutzern ihre vermeintliche Überlegenheit satirisch vor Augen halten, wie das der Postillon gemacht hat. Bei Facebook warten die Fans regelmäßig auf die Kommentare derjenigen, die die Postillon-Meldungen für wahr halten. Wie er die Kommentarkultur bei Facebook wahrnimmt und warum er bei den Headlines auf das Gegenteil des Heftig-Styles setzt, darüber hat W&V Online mit dem Postillon-Erfinder Stefan Sichermann gesprochen.
Herr Sichermann, wann haben Sie gemerkt, dass die Leser nicht nur gerne Ihre Artikel lesen, sondern auch die Facebook-Posts lieben, bei denen Sie die Kommentare der Leser zeigen, die die Satire nicht erkennen?
Schon als ich die ersten Male testweise etwas auf Facebook gepostet habe. Inzwischen mache ich das aber sehr viel seltener, weil mich zuletzt gestört hat, wie die Leute dann beschimpft werden. Ich habe deshalb auch mal diesen Artikel veröffentlicht, "Facebook-Nutzer ist allen anderen überlegen, weil er Satire erkennt". Wenn Medien auf meine Satire reinfallen, dann ist es etwas anderes. Das poste ich viel lieber, denn da ist die Fallhöhe deutlich größer, als wenn ein Facebook-Nutzer das nicht bemerkt und dann von anderen deswegen beschimpft wird.
Dass fremde Facebook-Nutzer sich wegen solcher Dinge als dumm bezeichnen und üble Kommentare posten - ist das für Sie ein Zeichen für eine schlechte Kommentarkultur im Netz?
Der Postillon hat ja inzwischen eine erschreckend große Menge an Fans bei Facebook – über 1,2 Millionen. Früher waren das ein paar zehntausend. Mit der Zahl der Fans steigt auch die Zahl der Idioten. Und wenn es mal tausend Idioten gibt, die kommentieren, dann merkt man das eben. Aber eigentlich finde ich die Kultur recht hoch. Der Postillon bekommt bei Facebook inzwischen sehr viel mehr Kommentare als früher, das können schon mal mehr als tausend pro Post sein. Und gerade bei den Kommentaren, die direkt auf unserer Homepage unter den Artikeln abgegeben werden, hat sich eine sehr gute Kultur entwickelt. Das hat fast schon Forumscharakter: mit einem harten Kern an Usern, bestimmten Regeln und Running Gags.
SZ.de hat kürzlich das Kommentarwesen umgebaut. Es gibt jetzt nur noch drei Themen pro Tag, über die in einem moderierten Bereich diskutiert werden kann, gleichzeitig werden unter allen Artikeln die Facebook-Kommentare angezeigt.
Ich kann das nachvollziehen. Bei großen Nachrichtenseiten geht es ja teilweise ganz schön ruppig zu. Aber der Kern des Problems ist ja nicht die Frage: Kommentare oder keine Kommentare? Sondern das Selbstverständnis der Redaktionen. Da wird vielfach zu wenig mit den Lesern wirklich diskutiert.
Über welche Themen wird bei Ihnen am eifrigsten diskutiert?
Eigentlich über alles. Besonders aber über alle kollektiven Großereignisse. Während der Fußball-WM hatten wir ein ziemliches Traffic-Hoch. Im Juli waren es sieben Millionen Unique User und 22 Millionen Seitenaufrufe.
Der Postillon profitiert davon, dass viele Artikel viral sehr stark geteilt werden. Was ist Ihr Rezept für eine gute Viral-Headline?
Wir haben eine Gegenteil-Strategie zum Heftig-Style. Wir verraten in der Überschrift gleich alles. Das finde ich sehr fair dem Leser gegenüber. Da kann es zwar schon passieren, dass unsere Links auf Facebook oder Twitter geteilt werden, ohne dass man die Artikel tatsächlich gelesen hat, aber das spricht auch für ein großes Vertrauen in den Postillon als Absender. Und dann liest es halt der nächste User.
Der Postillon ist zu Beginn auch dank Facebook so groß geworden. Welche Rolle spielt der Traffic aus dem Social Web inzwischen?
Facebook ist noch immer der wichtigste Traffic-Bringer. Inzwischen steigt der Anteil unserer Mobile-Leser aber auch sehr stark.
Liegt das an der App?
Ich gehe eher davon aus, dass es Whatsapp ist. Die User schicken sich dort offensichtlich gerne gegenseitig Links zu unseren Artikeln.