Social Media:
Melden oder Gegenrede? Was man gegen Hasskommentare tun kann
Für die Flüchtlingshelfer ist Facebook eine unersetzliche Plattform, um sich schnell und spontan zu organisieren. Allerdings werden sie dort auch mit einer Flut an Hasskommentaren konfrontiert. Facebook reagiert nur zögerlich auf die Forderung, "Hate Speech" vermehrt und schneller zu löschen. Hier lesen Sie, was jeder selbst tun kann.
Montag Nacht um kurz nach Mitternacht kam der Aufruf via Facebook, Twitter und fluechtlingshilfemuenchen.de. Ein Zug mit 500 Flüchtlingen werde überraschend an der Messe Riem in München erwartet. Nur sieben Helfer seien in der Nachtschicht vor Ort, es würden dringend weitere auch am Hauptbahnhof benötigt. Sofort melden sich die ersten Freiwilligen, schon kurze Zeit später bedanken sich die Organisatoren: Wunderbar, wir sind genug.
Für die Flüchtlingshelfer in München, Hamburg, Berlin, Wien und anderen Hotspots ist Facebook eine zentrale Plattform, um sich zu organisieren, schnell Freiwillige zusammenzutrommeln und akute Notstände zu beseitigen. Denn die Situation ist oft unübersichtlich, stündlich kann alles ganz anders sein, wie auch dieses Protokoll von Helfern in Berlin demonstriert. Für schnelle Reaktionen und das Feedback untereinander ist Facebook unersetzlich.
Das Netzwerk ist auch eine Austauschplattform für wichtige Informationen, sowie Tipps und Ideen für eine Optimierung der Organisation vor Ort. Was muss man wissen, wenn Flüchtlinge Fahrkarten für die Bahn brauchen? Sind Ehrenamtliche versichert? Wohin können sich Unternehmen wenden, die kostenlos Hilfe anbieten? All dies wird dort diskutiert und geteilt. Viele Helfer lassen auch ihren Gefühlen freien Lauf, motivieren sich mit positiven Erlebnissen, klären über Zustände vor Ort auf oder laden auch Frust ab.
Ebenso ist die Plattform aber auch ein Ort für Menschen, die im Schutz der Anonymität oder auch sehr offen gegen Flüchtlinge und Asylbewerber hetzen oder gegen die helfenden "Gutmenschen" wettern. Immer wieder geht es in den Helfer-Gruppen in den vergangenen Wochen deshalb auch um Hasskommentare und den vergeblichen Versuch, diese von Facebook löschen zu lassen. Eine Erfahrung, die viele teilen und die Facebook viel Kritik einbringt.
Skepsis, ob sich daran so schnell etwas ändern wird, scheint angebracht. Denn Facebook macht auch nach dem Gespräch mit Bundesjustizminister Heiko Maas nur wenige Zugeständnisse im Umgang mit "Hate Speech", nimmt stattdessen die Community stärker in die Pflicht und fördert eine Kampagne zur "Gegenrede". Immerhin arbeitet Facebook nun erstmals an einem "Dislike"-Button, wie CEO Mark Zuckerberg ankündigte. Der soll jedoch eher Mitgefühl als Missfallen ausdrücken.
Neben dem Engagement direkt vor Ort ist also auch Engagement in den sozialen Netzwerken nötig. Wir listen auf, was jeder einzelne gegen Hasskommentare in sozialen Netzwerken tun kann.
Facebook-Kommentar melden und auf Löschung hoffen
- Versenden einer Nachricht an die für den Beitrag verantwortliche Person
- Die betreffende Person von Freundesliste entfernen.
- Die Person blockieren, damit sie nicht mehr mit dem Nutzer in Kontakt treten kann.
- Die Person melden, wenn ihr Verhalten missbräuchlich ist.
- Verwenden der Privatsphäre-Einstellungen
Und wie meldet man einen rassistischen Kommentar? Direkt in dem Kommentar rechts oben das Kreuz "X" mit dem Hinweis "Verbergen" anklicken. Eine Leiste erscheint, in der man den Kommentar wieder einblenden oder den entsprechenden Nutzer blockieren kann. Um den Kommentar Facebook zu melden, klickt man auf "Melden", dann öffnet sich das Formular. Eine genauere Anleitung mit Bildern liefert "Netzwelt".
Wenn Facebook die Meldung - wie so oft mit dem Hinweis auf die "Gemeinschaftsstandards" - abweist, sollten User dem Netzwerk trotzdem eine Rückmeldung geben, rät das Portal t3n. "So bekommt das Unternehmen eine Ahnung davon, wo die Gemeinschaft selbst die rote Linie sieht, die nicht überschritten werden sollte".
Zur Anzeige bringen
Wer im Netz volksverhetzende Parolen oder Beleidigungen postet, macht sich genauso strafbar, als würde er sie auf der Straße äußern. Auch üble Nachrede, Bedrohung und Nötigung können als Straftat eingeordnet werden. Diese Erfahrung musste ein 26-Jähriger in Berlin machen, gegen den unter anderem wegen Volksverhetzung ermittelt wird und der deshalb mittlerweile seinen Job verlor. Das genaue Strafmaß legen die Gerichte im Einzelfall fest. Es reicht von Geldbußen bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe. Weitere Informationen über die rechtliche Situation listet etwa der Blog der Anwaltskanzlei Gulden Röttger auf.
Die Medienrechtler empfehlen, direkt bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige wegen Volksverhetzung zu stellen. Dies geht auch anonym.
In einigen Bundesländern ist es auch möglich, eine Strafanzeige online aufzugeben: www.online-strafanzeige.de listet sie auf und verlinkt direkt zu den jeweiligen Landesbehörden.
Auch die Initiative Jugendschutz.net bietet die Möglichkeit, Verstöße gegen Jugendschutzbestimmungen direkt online zu melden.
Gegenrede
Selber aktiv werden und direkt auf Hasskommentare und Herabwürdigungen reagieren, dazu ermuntert nicht nur Facebook, sondern auch Blogger Sascha Lobo. Er verweist in einem Spiegel-Online-Kommentar auf die Wissenschaftlerin Susan Benesch, die nachwies, dass Online-Hetze durchaus zu Gewalt führen kann. Den Tätern kann sie als Rechtfertigung für Gewalttaten dienen, mit dem Argument: Seht her, ich bin mit meiner Meinung nicht allein. Ihr Rat: Sachlich und besonnen reagieren, mit starken Argumenten und ohne Hassvokabular dagegenhalten - auch wenn es schwer fällt. Und dabei nicht locker lassen, sondern immer wieder aufklären, Gerüchte hinterfragen, zu Besonnenheit aufrufen. Und zwar in alle Richtungen. Dies könne Online-Hetze die Grundlage entziehen. Lobos Fazit: "Hassrede im Netz kann zu Gewalt führen - aber mit nicht hasserfüllter Gegenrede kann die Gesellschaft das verhindern helfen."
Ein Beispiel dafür liefert gerade ein Real-Markt in Erfurt. Der Konzern setzt sich gegen hetzerische Gerüchte in den sozialen Netzwerken zur Wehr und bezieht klar Stellung.
Anregungen, wie eine solche starke Gegenrede aussehen kann, lieferte im Mai die Schriftstellerin Christine Nöstlinger im österreichischen Parlament. Bei der Veranstaltung zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus warnte sie in ihrer Rede vor Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Ruhig und sachlich und dadurch umso eindringlicher. Ihre Rede wird aktuell wieder in den sozialen Netzwerken geteilt, auch in der Gruppe der Münchner Flüchtlingshelfer:
Watchblogs
Eine direkte Konfrontation wählen auch Watchblogs wie "Perlen aus Freital". Sie sammeln Hasskommentare - und informieren über die Verfasser. Damit holen sie sie aus ihrer Anonymität. Und stellen sie an den Pranger.