Webkommunikation:
Grimme Online Award 2014: Das sind die Sieger
Von den 24 Webangeboten auf der Shortlist des Online-Grimme-Awards sicherten sich acht herausragende Projekte die begehrte Auszeichnung.Darunter: Timo Jung, Netzpolitik.org und einige Webspecials der öffentlich-rechtlichen Sender.
Von den 24 Webangeboten auf der Shortlist des Online-Grimme-Awards sicherten sich acht herausragende Projekte die begehrte Auszeichnung. Geehrt wurden die Preisträger am 27. Juni 2014 im Dock.One in Köln. Anja Backhaus moderierte die Preisverleihung und Roger Cicero sorgte für due musikalische Untermalung. Besonders beeindruckt zeigte sich die neue Grimme-Direktorin Frauke Gerlach davon, mit welcher herausragenden inhaltlichen und visuellen Qualität im Netz persönliche Geschichten erzählt werden. Zugleich seien die Inhalte ein Spiegel relevanter gesellschaftlicher Themen. Mit dem Grimme Online Award, so Gerlach, "wollen wir einen Beitrag leisten und Anreiz bieten, dass Qualitätsproduktionen mit diesem Niveau und in dieser Vielfalt auch künftig preiswürdig entwickelt werden."
Die Jury lobte vor allem das Storytelling der Preisträger, das die technischen und optischen Werkzeuge des Netzes nutzte. Neben großen Reportagen, Dossiers und spannende politischen Analysen ließ sich die Jury aber von Anbietern überzeugen, die jenseits aufwendiger Visualisierung mit kreativen Ideen neues Publikum finden – dazu gehörten klassische Blogs ebenso wie ungewöhnliche Videoformate.
Mit großem Jubel begrüßte das Redaktionsteam von "Zwischen Hoffnung und Verzweiflung – der neue Nahe Osten" die erste Auszeichnung des Abends für ihr Angebot. Das umfassende Webspecial von BR und SWR bekam die Auszeichnung in der Kategorie "Information". Das Webspecial beleuchtet die Veränderungen der letzten Jahre und die gegenwärtige Situation an den Konfliktknotenpunkten des Nahen Ostens. Mit der Auszeichnung würdige die Jury "ein außergewöhnlich umfang- und lehrreiches Dossier, das trotz seiner Fülle gut zu erschließen ist und inmitten aller Kreativität an vielen Stellen mit solidem Handwerk überzeugt."
Auch der Journalist Tilo Jung bekam in der Kategorie "Information" eine Trophäe von Laudator Jörg Thadeusz überreicht. Seine Interviewreihe "Jung & Naiv" lebe, so die Jury, "von unverblümten, eben 'naiven' Fragen und den damit entlockten, teils entlarvenden Antworten von hochrangigen Politikern, Experten und Bürgern." Selten habe sich ein neues journalistisches Angebot so erfrischend für die Vermittlung politischer Inhalte gezeigt wie dieses Bewegtbildangebot, dessen zentrale Dreh- und Angelplattform Youtube ist und das von dort aus eine große Medien-Klaviatur bespiele.
Mit einem weiteren Preis in der Kategorie "Information" wurde der "Pressekompass" ausgezeichnet. In ihrem Statement hob die Jury lobend hervor, dass nicht nur die Medien-, sondern auch die Nutzermeinung den Ausschlag für die Position der Kompassnadel gebe. Besonders interessant sei der Vergleich zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung in Bezug auf kontrovers diskutierte Themen wie die Thesen Sarrazins oder den Deutschlandbesuch von Erdogan.
In der Kategorie "Wissen und Bildung" gab es nur eine Auszeichnung. Die sicherte sich das sogenannte Doku-Game "Fort McMoney" von Arte. Die Jury würdigte das Webspecial, das sich dem Thema Abbau der Ölsande in Kanada widmet und sieht die Verbindung der Welt der Videospiele mit einer klugen, journalistisch auf höchstem Niveau realisierte Reportage als außergewöhnlich an. "Im Gegensatz zur rein filmischen Immersion", urteilt die Jury, "erlaubt das Webspecial auch dank aufwendiger Grafik, innovativem Interface und geschickter Kameraperspektive nicht nur die Identifikation, sondern auch die Interaktion mit den dokumentierten Protagonisten."
Zwei Sieger gab es in der Kategorie "Kultur und Unterhaltung". Eine Auszeichnung ging an die "Neue Züricher Zeitung" für "Du fliegst nur einmal". Die Jury ließ sich durch eine beispielgebende Visualisierung von Animation und Dokumentation überzeugen. Mit dieser Reportage über den Weltklasse-Snowboarder Iouri Podladtchikov zeige die Neue Zürcher Zeitung, wie kreatives Geschichtenerzählen heutzutage aussehen könne und beweise eindrücklich, ergänzt die Jury in ihrer Begründung, "dass lange Texte im Web kein Tabu sein müssen."
Einen auffälligen Kontrast zu solch bild- und farbgewaltiger Aufmachung bietet der weitere Preisträger "42553 Neviges". Über das Blog, in dem der 68-jährige Norbert Molitor seinen ganz persönlichen Blick auf den Ortsteil der Stadt Velbert wirft, schreibt die Jury "Fotografie und Text wirken durch ihre Schlichtheit und das bewusste Auslassen von Extra-Gimmicks. Mit liebevoll-kritischem Auge und charmant-ironischem Schreibstil entwirft Norbert Molitor ein literarisches und visuelles Panoptikum einer Kleinstadttristesse, das man schlicht 'Genuss' nennen muss."
"Netzpolitik.org" erhielt den Preis in der Kategorie "Spezial". Nach Meinung der Jury habe sich das Portal seit Jahren als die gewichtigste deutsche Stimme eines unabhängigen Internet und seiner Nutzer etabliert. "Den Machern ist es gelungen", so die Jury, "ein Sammelbecken für jene Opposition zu sein, die nicht hinnehmen will, dass das freie Netz zerstört oder zumindest eingeschränkt wird. Zusammen mit einer stetig wachsenden Community schafft es das mittlerweile auf 30 Autoren angewachsene Team, digitale Themenfelder zu besetzen, um so auch eine Anlaufstelle für die klassischen Medien zu werden."
In der gleichen Kategorie erhielt auch der WDR für das Webspecial "Pop auf’m Dorf" eine Auszeichnung. Für das Team war dieser Preis eine echte Überraschung, da die Reportage zu dem Haldern Pop-Festival eigentlich in der Kategorie "Kultur und Unterhaltung" nominiert war und das Team die Hoffnung auf die Auszeichnung schon aufgegeben hatte, als dann doch noch der Preis in der Kategorie Spezial kam. In diesem Fall nutzte die Jury des Grimme Online Award ihre Möglichkeit, ein Angebot zur Preisauszeichnung in eine andere Kategorie zu verschieben. Umso ausgelassener feierten die Macher diese letzte Jury-Prämierung des Abends. Die WDR-Reportage überzeugte neben der gelungenen inhaltlich-emotionalen Ansprache der Nutzer vor allem durch ihre technische Performance. Das speziell für Reportagen entwickelte und Open Source veröffentlichte Programm "Pageflow" macht es nicht nur der WDR-Redaktion, sondern auch kleineren Anbietern möglich, Texte, Bilder sowie Audio- und Videoinhalte einzubinden. In der Jury-Begründung heißt es dazu: "Der WDR hat ein modernes Reportage-Tool entwickelt, stellt es kostenlos zur Verfügung, setzt damit einen hohen Produktionsstandard und belegt mit seinem bildgewaltigen Beitrag ‚Pop auf’m Dorf‘ überzeugend dessen Möglichkeiten."
Sieger des Publikumspreises wurde der Youtube-Kanal "LeFloid", in dem Florian Mundt seinem jungen Publikum auch gesellschaftskritische und politische Themen präsentiert und dadurch eine Diskussion im Netz anregt. Auf die Plätze zwei und drei wählte das Publikum "Spleen24" und "Ticket nach Berlin".
Neben dem Grimme Online Award wurde auch der "klicksafe Preis für Sicherheit im Internet" vergeben. In der Kategorie Webangebote wurde die "fragFINN-App" ausgezeichnet, Sieger in der Kategorie Projekte wurde "Digitale Helden". Ausgewählt wurden die Gewinner von einer Fachjury der Initiative "klicksafe", einem gemeinsamen Projekt der Landeszentrale für Medien und Kommunikation (LMK) Rheinland-Pfalz und der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM).