Debatte:
"Schweinepest gegen Vogelgrippe": Steinbachs scharfe Replik auf Thomas Koch
W&V-Blogger Thomas Koch alias "Mr. Media" sorgt mit seinem Artikel "Warum Online-Werbung nicht funktioniert" gerade für gewaltigen Wirbel. In den ersten 24 Stunden wurde der Beitrag über 8000 Mal aufgerufen. Ex-Havas-Manager Jan Steinbach findet Kochs Polemik "vermessen" und erklärt auch gleich, warum:
W&V-Blogger Thomas Koch alias "Mr. Media" sorgt mit seinem Artikel "Warum Online-Werbung nicht funktioniert" gerade für gewaltigen Wirbel. In den ersten 24 Stunden wurde der Beitrag über 8000 Mal aufgerufen. Top-Werber Jan Steinbach* findet Kochs Polemik "vermessen" und erklärt auch gleich, warum:
Lieber Thomas Koch,
Die These, dass digitale Werbung nicht funktioniert, ist genauso vermessen, wie zu behaupten, das Werbung generell nicht funktioniert. Richtig hingegen ist, dass die Wirkung nachlässt und gleichzeitig die unerwünschten Nebenwirkungen von Werbung, egal ob digital oder analog, erheblich sind. Und die Tendenz ist steigend.
Die digitale Bannerwerbung bringt das Fass lediglich zum Überlaufen. Getreu dem Motto, wenn ein Werbemittel stört, dann ist es gut. Und wenn es noch mehr stört, dann ist es besser. Anders ist die wachsende Begeisterung für Pre-Rolls und Layer-Ads bei Mediaagenturen nicht nachzuvollziehen. Im Mediasprech nennt man das dann "Impact".
Jetzt aber das Heil wieder in den klassischen Werbekanälen zu suchen, ist ja so, als wollte man die Vogelgrippe mit der Schweinepest kurieren.
Denn das, was Sie der digitalen Werbung zurecht vorwerfen, ist nichts anderes als das Grundprinzip von Werbung von je her. Sie basiert nun mal auf "Störung". Auch – und gerade – in den klassischen Kanälen. Der TV-Spot stört beim Spielfilm, die Anzeige beim Lesen des Artikels und die Werbemail bei der Arbeit. Eine Studie in den USA hat ergeben, dass in etwa 6.000 Werbekontakte am Tag um unsere Aufmerksamkeit buhlen.
In den letzten 70 Jahren war es uns Marketern und Werbern egal. Denn immerhin: es hat sich wohl gerechnet. Aber genau hier liegt das Problem: es rechnet sich immer weniger. Nicht nur die Bannerwerbung, sondern die Werbung insgesamt, steckt in der Wirkungskrise.
Wenn man sich ernsthaft mit den Ursachen beschäftigt, wird man feststellen, dass es weniger mit der Wahl der Mediakanäle zu tun hat. Sondern viel mehr mit einer grundlegenden Veränderung der Käufer und der Art, wie heute Kaufentscheidungen getroffen werden. Was der Rick Lavine schon 1999 in seinem Cluetrain Manifest voraussagte, ist heute längst Realität. Das Cluetrain Manifest beschrieb schon damals, welch wachsenden Einfluss die neuen Technologien auf die Kommunikation haben würden und wie dadurch die Macht des konventionellen Marketings schwindet. Das Manifest skizziert das Ende der einseitigen Kommunikation, denn die Märkte der Zukunft basieren auf den Beziehungen der Menschen untereinander und auf den Beziehungen der Unternehmen zu den Menschen.
Und diese Beziehung ist auf Augenhöhe oder sie existiert gar nicht. Denn Kunden von heute sind es satt, als Zielgruppe befeuert zu werden. Ganz egal ob above-, below- oder on-the-line. Nicht die Medien, sondern die Haltung gegenüber den Kunden, die darin zum Ausdruck kommt, ist das Problem. Kunden wollen selbst entscheiden ob, wann und wie sie mit Unternehmen in Kontakt treten. Und sie haben dafür alle Möglichkeiten in ihrer Hand. Und zwar in der, die die Maus hält.
Lieber Thomas Koch, verzeihen Sie mir den offenen Widerspruch. aber Marketing sollte – so haben wir es alle einmal gelernt – die Bedürfnisse des Kunden in den Mittelpunkt stellen. Ich finde, die Lage in der sich die Werbebranche gerade befindet, wäre ein geeigneter Anlass, inne zu halten und endlich mal damit anzufangen. Zu Beispiel mit Inhalten, die die Kunden wirklich interessieren, statt mit der endlosen Wiederholung der immer gleichen Werbeklischees.
Mit kollegialem Gruß
Jan Steinbach
* Jan Steinbach ist Managing Partner von Xengoo Consulting in Düsseldorf. Er war Mitgründer der Digital- und Dialogagentur OneCicle, die er 2006 in den Havas Konzern einbrachte. Bis August 2013 war er CEO von Havas Worldwide Düsseldorf, der Leadagentur von SAP.