Thomas Koch:
"Liebe Mitwerber": Die Neujahrsansprache von Mr. Media
Die Branche blickt zurück auf ein bestenfalls durchwachsenes Jahr. So richtig berauscht oder wenigstens weitergebracht hat es keinen der Protagonisten im Medien- und Werber-Gewerbe. W&V-Blogger Thomas Koch alias Mr. Media hat sich das im Einzelnen mal angeschaut - und stellt uns schon mal auf 2015 ein.
Die Branche blickt zurück auf ein bestenfalls durchwachsenes Jahr. So richtig berauscht oder wenigstens weitergebracht hat es keinen der Protagonisten im Medien- und Werber-Gewerbe. W&V-Blogger Thomas Koch* alias Mr. Media hat sich das im Einzelnen mal angeschaut - und stellt uns schon mal auf 2015 ein.
Liebe Mitwerber und Mitwerberinnen,
wir blicken zurück auf ein bestenfalls durchwachsenes Jahr. So richtig berauscht oder wenigstens weitergebracht hat es keinen der Protagonisten im Medien- und Werber-Gewerbe. Schauen wir uns das im Einzelnen mal an.
Und beginnen mit Print. Für Print war es ein rabenschwarzes Jahr. Schlagworte wie "Untergang des Qualitätsjournalismus" und ewige Diskussionen um Zeitschriften wie "Spiegel", "Focus" und "Stern", ja um den ganzen Gruner + Jahr-Verlag, hallen noch nach. Die Liste der eingestellten Zeitungen ("Westfälische Rundschau") hat es bei Wikipedia zu einem eigenen Eintrag gebracht. Die Letzten der Mohikaner wenden sich derweil den digitalen Welten zu. Keinesfalls aber, um dort Journalismus zu betreiben, sondern um von medienfremden Online-Portalen und dem E-Commerce zu profitieren. Die Verleger haben einfach keinen Bock mehr auf Print.
Keine Lösung ist auch keine Lösung
TV ist wieder ein Stück weniger attraktiv geworden. Mit Ausnahme der Fußball-WM. (Gut, dass wir Weltmeister wurden!) Die Aufmerksamkeit vor dem Bildschirm sinkt zusehends. Sie fragen sich auch, wieso es dazu kaum Forschungserkenntnisse gibt? Fragen Sie ruhig weiter… Die meisten Sendungen sind nur noch mit Twitter erträglich. Und was machen die Sender dagegen? Nichts. Außer immer neue Sender zu gründen. (Ich warte noch auf Sat.1Platinum…) Vor allem aber - und das ist auch hier bezeichnend - machen sie sich vom Werbegeschäft unabhängig. Immer höher (und einzig) wächst der Erlösanteil aus Online-Videotheken, Games und Portalen. So richtig Lust auf Fernsehen haben die Sender offenbar auch nicht mehr.
Radio tritt irgendwie auf der Stelle. Es befindet sich derzeit irgendwo im Nirwana zwischen Dudelfunk, Spotify und Webradio. Wo es genau steht, weiß es selbst nicht. Einfach weiter dudeln wie bisher? Sich Spotify und den Playlists ergeben? Auf Webradio setzen, obwohl die Agenturen es nicht einzuordnen wissen? Geht alles nicht. Keine beneidenswerte Situation.
Die Außenwerbung verramscht ihre Papierplakate. Wahrscheinlich, weil ihnen jemand zugeflüstert hat, dass Print angeblich stirbt. Und sie investieren heftig in digitale Außenwerbemedien. Wahrscheinlich, weil sie bei Jack Welch (GE) gelesen haben, dass wenigstens jede zweite getroffene Entscheidung richtig sein sollte. Richtig ist die Digitalisierung, Ramsch ist immer falsch. Weil es die Erlöse schmälert, die man für die Digitalisierung dringend benötigt. Klingt nach Zwickmühle.
Kommen wir zu Online. Von den Digitalern haben wir im letzten Jahr mehr erwartet. Zumindest ließ die phänomenale Dmexco das erhoffen. Nicht nur ist man keinen Schritt vorwärts gekommen, jetzt stagnieren auch noch die Werbeerlöse. Das hatte man sich anders gedacht. Aber kein Wunder: Die Werbemittel nerven mehr denn je und es sind keine neuen, attraktiveren Werbeformen in Sicht. Dumm gelaufen.
Keinen Bock auf Medien
Interessant ist die Konklusion daraus, dass die meisten Medienmacher keinen Bock mehr darauf haben, Medien zu machen. Und sich dann wundern, wenn ihre ehemals geliebten Medien quantitativ und qualitativ den Bach hinuntergehen. Eine eigentümliche Logik, auf die man erst einmal kommen muss. Um das zu verstehen, muss man wohl selbst Medienmacher sein.
Genug der Medien. Wenden wir uns der Kundschaft zu: Den Werbungtreibenden. Die Werbekunden verbuchten 2014 keinen einzigen Erfolg. Nicht bei der weiter sinkenden Wirkung, nicht bei ihren Forderungen an die Medien. Ihnen sind Rabatte immer noch wichtiger als Werbeerfolg. Ich bin gespannt, wann sie begreifen, dass man mit Medien-Rabatten keine Marktanteile gewinnt. Würden sie dagegen das Thema Transparenz im Mediageschäft wieder nach oben auf die Agenda setzen, würden sie in Geld ertrinken.
Big Data, by the way, ist zwar schön, aber kein Allheilmittel. Der Verbraucher ist nicht fernlenkbar. Und automatisierte Reklame steigert den Umsatz nicht für alle Marken gleichzeitig. Die Summe der Marktanteile bleibt bei 100 Prozent. Punkt.
Die Werbeagenturen schaffen sogar die Rolle rückwärts. Die meisten von ihnen haben Online bis heute nicht verstanden. Und der digitale Verbraucher enteilt ihnen im Galopp. Das Image der Werber sinkt auf kaum mehr vorstellbare Tiefpunkte. Dafür beschweren sie sich lauthals über ihre Kunden und sinkende Honorare. Woran das wohl liegen könnte? Selbstkritik war noch die Stärke der Werber.
Last not least: Meine Lieblinge, die Mediaagenturen. Der fachliche Diskurs, also eine lebhafte Auseinandersetzung um Wesen und Wirkung ihrer Arbeit und um so etwas wie den USP ihres Gewerbes, ist völlig verstummt. Dafür schießen dank Trading die Renditen durch immer höhere Decken. Gleichzeitig sinkt aber das Vertrauen der Kunden in ihre Mediadienstleister in immer tiefere Keller. Was glauben die Agenturen eigentlich, wie lange das noch gut geht? Dennoch: Ich rate ihnen auf Kurs zu bleiben. Dann hat sich das Problem bald von selbst gelöst und sie haben sich ganz elegant selbst von der Bühne geschubst.
Was also tun?
Wenn alle weitermachen wie bisher, wird 2015 genauso ernüchternd für die Medien, Marken und Agenturen wie 2014. Nutzen wir die ersten Tage des neuen Jahres zur Besinnung auf das Wesentliche.
Also: Die Medien besinnen sich wieder auf ihre Qualitäten, auf ihre ursprünglichen, einzigartigen USPs und (er)finden Werbeformen, die für die Nutzer attraktiv sind und wirken.
Die Werbekunden setzen die einzigen drei Punkte auf ihre Agenda, die wirklich wichtig sind: Transparenz, Werbewirkung und Effektivität.
Die Werbeagenturen (er)finden sich neu, hören den Verbrauchern endlich zu und kreieren Werbung, die nicht nur nervt oder langweilt.
Und die Mediaagenturen? Sie werden weitermachen wie bisher - bis sie jemand stoppt. Aktien der großen Werbeholdings, die von ihren Media- und Online-Agenturen mit Gewinn gefüttert werden, würde ich jedenfalls nicht auf "Kaufen" setzen.
Kümmern wir uns 2015 darum, die wirklichen Probleme der Branche zu lösen. Und dabei bitte immer an die Zielgruppe denken. In diesem Sinne wünsche ich allen ein erfolgreiches Jahr.
Ihr Mr. Media
* Thomas Koch, Agenturgründer, Ex-Starcom-Manager, "Wirtschaftswoche"-Kolumnist, Buchautor und Herausgeber von "Clap" und Media-Persönlichkeit des Jahres, bloggt seit 2013 für W&V. Er ist "Mr. Media".