Briefing und Feedback:
Eine kleine Kundentypologie für Texter
Sind Sie eher ein "Beseelter oder ein "Pragmatischer"? Aus der Sicht eines Texters gibt es vom Briefing an zwei unterschiedliche Gattungen von Kunden. Und im nächsten Projektschritt sind es schon fünf. Peter Breuer kennt sie alle. Hier ist seine Übersicht.
Sind Sie eher ein "Beseelter oder ein "Pragmatischer"? Mit dem Start jeder Zusammenarbeit, dem Briefing, teilen sich die Kunden für Texter in zwei unterschiedliche Gattungen. Noch sind es erst zwei. Aber liegt erst ein Text vor und erfordert Feedback, werden aus den beiden Gruppen sogar fünf. Peter Breuer kennt sie alle. Hier ist seine Übersicht:
Briefingphase
A. Die Pragmatischen
In wenigen Worten erklären sie, was die Aufgabe ist, wer das Produkt oder die Dienstleistung kaufen sollte und vor allem – warum. Was unterscheidet das Angebot von den vielen identischen Mitbewerbern, und welches Produkterlebnis ist gewünscht? Wo informieren sich die Käufer und an welchen Orten begegnen sie dem Angebot?
Das umreißt die aktuelle Aufgabenstellung und vielleicht gibt es noch einen kurzen Ausblick, was in der Zukunft geplant ist, um Zusammenhänge besser verstehen zu können.
Für die gewünschte Tonalität gibt es Beispiele und manchmal sogar Guidelines. Mitunter ist die perfekte Vorgabe für eine gewünschte Tonlage noch kürzer. Vor zehn Jahren stand in der Mail eines Kunden: „Wir hoffen, dass es verständlich ist, aber der Text soll sich lesen, als sei er von Harald Schmidt und nicht von Stefan Raab.“ Klare Ansage.
B. Die Beseelten
Beseelte Kunden sind davon überzeugt, dass ihr Produkt nur deshalb im Regal liegen bleibt, weil Außenstehende seine Großartigkeit und seine technische Überlegenheit nicht in ihrer ganzen Tragweite erfassen können. Dass sie es nicht kennen oder möglicherweise gar nicht brauchen könnten, käme ihnen niemals in den Sinn.
Im Briefing holen sie aus bis ins Präkambrium ihrer Branche und mit der Erstellung der Marktforschung haben sie ein internationales Team von Neurowissenschaftlern beauftragt, das auf dreißig Seiten die Grundlagen des limbischen Systems erklärt, ohne die Frage der gewünschte Positionierung auch nur zu streifen.
Feedback-Phase
Nach getaner Arbeit geht es in der Feedback-Runde darum, einen Text mit dem Briefing abzugleichen. Sind alle Aufgaben gelöst worden? Sind Ton und Thema getroffen worden? Bisher hatte der Texter mit den Kundenkategorien A und B zu tun – beim Feedback fächert sich das Feld noch weiter auf und grob gesagt: Während die Briefing-Kategorie A fast zu 100 Prozent zur Feedback-Kategorie 1 tendiert, neigt die Kategorie B auffällig zu den Feedback-Kategorien 2 bis 5.
1. Die Sachorientierten
Dem Kunden gefallen die Idee, die Umsetzung und auch der Text. Nüchtern werden die Punkte abgearbeitet, die noch geändert werden müssen: Technische Daten stimmen noch nicht, an der einen oder anderen Stelle sollte der Ton lauter oder leiser gedreht werden und an einzelnen Headlines muss noch gefeilt werden. Damit kann man arbeiten.
Zum Glück ist dieser Idealfall statistisch gesehen der Normalfall. Aber der Mensch neigt dazu, negative Erlebnisse besser zu speichern als positive, was mit dem bereits oben angesprochenen limbischen System zusammenhängt.
Es gibt außer dem Idealfall nämlich noch:
2. Die Problem-Verschieber
An die Mail ist ein Word-Dokument angehängt, dessen Dateiname in etwa so heißt: „Verteiler_07092015_2nd_draft_korr“. Im Text wird darauf hingewiesen, man habe den Textentwurf „mit der Bitte um Feedback durch die verschiedenen Fachabteilungen geschickt“. Gerne folgt in leicht entschuldigendem Ton: „Stören Sie sich nicht an den vielen Korrekturen, es sieht schlimmer aus, als es ist.“
Öffnet man dieses Dokument, ist die rechte Spalte ein wilder Regenbogen von Korrekturanmerkungen, die inhaltlich häufig redundant sind. Aber das ist nicht das größte Problem: Furchtbar wird es, wenn sich die Anmerkungen gegenseitig widersprechen. Wie soll man damit umgehen? Das Organigramm des Unternehmens studieren und die Korrekturen nach Hierarchieebenen sortieren? Besser nicht.
Einfacher ist es, alle Änderungen im Word-Dokument mit einem Klick anzunehmen und auf dieser Basis einen komplett neuen Text zu schreiben. Das ist zwar ein Stückchen Arbeit, löst aber die Probleme in der Regel am schnellsten.
3. Die diffusen Bauchmenschen
Der Kunde sagt: „Grundsätzlich ist alles drin, aber ich habe noch ein unbestimmtes Störgefühl“. Das wird schwer: Jetzt wird der Texter zum Psychotherapeuten, der herausfinden muss, ob es sich um ein Geschmacksurteil oder um eine grundsätzlich andere Wahrnehmung handelt. Möglicherweise war der eigene Text aber auch schlecht und es empfiehlt sich, wie in Punkt 2 zu verfahren und den Text komplett neu zu schreiben.
4. Die Knüllerfixierten
Eine gerunzelte Stirn und ein trauriger Blick verheißen nichts Gutes: „Ihre Arbeiten für die Szene-Brause waren so witzig und unbeschwert – warum liest sich der Text für unser Bestattungsinstitut so getragen und spirituell?“ Hm. Liegt es möglicherweise am Produkt? Jetzt ist Überzeugungsarbeit nötig. Je nach Verhandlungsgeschick wechselt der Kunde die Branche oder sieht ein, dass besondere Situationen besondere Maßnahmen erfordern.
5. Die Selbsttexter
Wie schon Joseph Beuys in ähnlicher Form richtig bemerkte: „Jeder Mensch ist Texter“. Und wie jeder Texter weiß, dürfen Verneinungen nur extrem sparsam eingesetzt werden. Ach, was rede ich, sie dürfen überhaupt nicht vorkommen. Nach dieser Logik ist sogar ein „nicht nur, sondern auch“ keine Erweiterung von Möglichkeiten – sie ist durch das Wort „nicht“ durch und durch negativ. Der Selbsttexter neigt angesichts seiner größeren Kenntnis in Fachfragen zu einer gewissen Überheblichkeit, die im Laufe längerer Texte sogar zu einer unangenehmen Hybris anwachsen kann.
Der Selbsttexter ist häufig in mittelständischen Unternehmen anzutreffen und meist ist es ein circa 60-jähriger Inhaber, der während der Briefingphase auf einer ausgedehnten Golfreise war und nun entschieden die Ärmel hochkrempelt.
Ihm beizukommen, ist relativ einfach. Wenn man angesichts seiner Grobheiten gelassen bleibt und nicht unmittelbar in Tränen ausbricht, ist er bereits überrascht. Er hält Texter insgeheim für sensible „Dichter“ und wenn man es schafft, sachlich zu bleiben und seine Korrekturen nüchtern abwägt, kann das manchmal sogar eine richtig gedeihliche Zusammenarbeit werden.