Gastbeitrag:
Media-Markt-Konzept: "Nicht der Weisheit letzter Schluss"
Das neue Ladenkonzept von Media-Markt ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber reicht das tatsächlich, um langfristig gegen die Online-Konkurrenz bestehen zu können? "Eher nicht", meint unser Gastautor Darijusch Faseli, Director Shopper Marketing Strategy bei Leo Burnett.
Das neue Ladenkonzept von Media-Markt ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber reicht das tatsächlich, um langfristig gegen die Online-Konkurrenz bestehen zu können? "Eher nicht", meint unser Gastautor Darijusch Faseli, Director Shopper Marketing Strategy bei Leo Burnett. In Sachen Sortimentsvielfalt und Preisführerschaft ist der Kampf gegen die "Online Pure Player" ohnehin dauerhaft verloren. In Zukunft geht es um die "Emotional Leadership".
Von Darijusch Faseli
Die neue Offensive von Media-Saturn ist sicherlich ein erster Schritt in die richtige Richtung, wenn es darum geht, sich nachhaltig Marktanteile im Kampf gegen ‚Online Pure Player’ zu sichern. Dennoch ist dieser Vorstoß nicht der Weisheit letzter Schluss. Natürlich spricht beispielsweise ein Drive-In-Schalter all diejenigen Käufer an, die sofort ein großes Haushaltsgerät ersetzen müssen. Auch wird der ein oder andere Kunde auch gerne mal ein elektronisches Terminal ‚instore’ nutzen wollen. Aber reicht das tatsächlich aus, um langfristig gegen die Online-Konkurrenz bestehen zu können? Eher nicht.
Online treibt Auswahl und Preis
Was die Sortimentsbreite und -tiefe anbelangt, wird es auch künftig stationär kaum einen Anbieter geben, der mit dem gesamten Angebot im Internet mithalten kann. Auch dann nicht, wenn – wie jetzt in Ingolstadt – ‚instore’ oder im Webshop weitere Artikel bestellt werden können. Auch hinsichtlich des Preises haben Multichannel-Händler oder rein stationäre Anbieter per se aufgrund der höheren Kostenstruktur für Personal und Ladenmieten schlechtere Karten. Das trifft Media-Saturn umso härter, hat man sich doch über Jahrzehnte hinweg mit Slogans wie „Geiz ist geil“ oder „Ich bin doch nicht blöd“ das Image des Billigheimers verpasst. Ärgerlich ist daran vor allem, dass der Elektronikriese durch seinen Kommunikationsauftritt selbst das Kaufverhalten im Elektronikbereich hin zum gnadenlosen „Sparfuchs“ verändert hat. „Die Geister, die ich rief“ treiben mittlerweile unübersehbar ihr Unwesen.
Künftig wird man den ‚Online Pure Playern’ folglich das Feld in puncto Sortimentsvielfalt und Preisführerschaft überlassen müssen. Dies wird sich konsequenterweise in steigenden Marktanteilen ausdrücken. Einem Multichannel-Anbieter wie Media-Saturn ist demnach zu raten, die Lücke zu den ‚Online Pure Playern’ nicht zu groß werden zu lassen.
Welche Daseinsberechtigung wird das stationäre Geschäft künftig haben?
Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, ist zwingend ein Blick auf das menschliche Kaufverhalten in den jeweiligen Produktkategorien bzw. Sortimenten notwendig. Hilfreich ist dabei unsere globale und repräsentative PeopleShop-Studie: PeopleShop ordnet verschiedene Produktkategorien anhand des tatsächlichen Einkaufsverhalten von Menschen in das sogenannte Risk-Reward-Modell ein. Dieses zeigt plakativ auf, wie hoch das Kaufrisiko und der Belohnungsfaktor je Kategorie ist und gibt somit eine strategische Empfehlung, wie beispielsweise Händler das Kundenverhalten in den unterschiedlichsten Kategorien ‚instore’ adressieren sollten.
Laut Studie wandern Produktkategorien mit geringem Kaufrisiko vermutlich komplett in Richtung online ab bzw. fungieren stationär nur noch als Mitnahmeartikel. Zu dieser sogenannten Routinekategorie gehören Produkte wie Batterien, Wasserkocher oder Staubsaugerfilter.Ganz anders sieht das Bild bei Artikeln mit hohem finanziellen wie emotionalem Kaufrisiko oder einem hohen ‚Belohnungsfaktor’ aus. Produkte wie Fernsehgeräte, Spielekonsolen, Soundsysteme, Film- oder Musikartikel zählen beispielsweise zu diesen sogenannten Leidenschafts- und Spaßkategorien. In diesen Kategorien sollte man Kunden mit Erlebnissen um die Produkte herum begeistern.
Die Möglichkeit, Produkte vor Ort anzufassen oder auszuprobieren, in Produkt- und Markenwelten – wie bei Ikea – mit allen Sinnen abzutauchen oder sich individuell von einem Menschen aus Fleisch und Blut beraten lassen zu können sind Bedürfnisse, die der reine Online-Handel eben nicht bedienen kann.
Genau hier könnte und müsste die Stunde von Media-Saturn bzw. dem stationären Handel insgesamt schlagen, sofern er denn bereit ist, seine Rolle unter den sich ändernden Marktgegebenheiten neu zu definieren. Weg vom Dasein als austauschbarer Anbieter von Massenprodukten mit vermeintlich günstigen Preisen in schnöder und teils überfordernder Ladenoptik, hin zum multimedialen Freizeit- und Erlebniscenter für den Kunden. Weg von altgedienten Kennziffern wie Umsatz pro Quadratmeter, hin zu Kennziffern wie „Kundenzufriedenheit oder positiver Emotion pro Quadratmeter“ (letzteres ist tatsächlich messbar). Quasi die Wandlung vom Großflächendiscounter hin zum ‚Disneyland’ der emotionalisierenden Warengruppen. Dieses ‚Disneyland’ könnte Media-Saturn im Vergleich zu kleinen Fachhändlern problemlos erschaffen, allein schon wegen der großzügigen Ladenflächen.
Damit Kunden sich im ‚Disneyland’ aber nicht nur amüsieren, letztlich das Produkt aber dennoch online in einem günstigeren Webshop kaufen, bedarf es auch bei der Kundenbindung und im After Sales weiterer Maßnahmen. Exklusive finanzielle Kundenvorteile, Einladungen zu Events oder die Möglichkeit, Neuprodukte als Erste ausprobieren zu können, sind nur einige wenige Beispiele. Diese Maßnahmen könnten durch die Industriepartner (mit-) finanziert werden. Im Gegenzug profitieren die Industriemarken von der physischen Erlebbarkeit im stationären Handel.
Zukunft: Der Mensch im Mittelpunkt
Erlebnisse zu kreieren, ist allerdings nur die halbe Miete. In unserer immer stärker ‚durchtechnologisierten’, anonymeren Welt wird der Faktor Mensch wieder wichtiger. Ein stationäres Geschäft muss zukünftig immer mehr vom Verkaufsraum zum sozialen Treffpunkt von Menschen ähnlicher Interessen werden. Die Rolle des klassischen Verkäufers wird sich wandeln müssen hin zu der eines Agenten und langjährigen Begleiters für den Kunden. Gerade in den ‚Last’-Kategorien, die ein hohes Kaufrisiko darstellen, aber mit wenig Belohnungsfaktor ausgestattet sind – beispielsweise große Haushaltsgeräte – nimmt die Relevanz von qualitativ hochwertiger, persönlicher Beratung und über den Verkauf hinaus gehender Serviceangebote stetig zu.
Während man also den ‚Online Pure Playern’ die Preisführerschaft und Sortimentsvielfalt überlassen müssen wird, sollte sich der stationäre Bereich die „Emotional Leadership“ zu eigen machen, um relevant zu bleiben. Insgesamt scheint die Branche inklusive Media-Saturn noch großen Nachholbedarf zu haben. Das Ingolstädter Konzept ist aber sicherlich als Signal zu verstehen, dass man die Zeichen der Zeit erkannt hat.