Unternehmenskultur bei Spirit Link Medical:
Die Agentur, die ihre Mitarbeiter glücklich machen will
Bezahlte Überstunden, Sabbaticals, ein Baumhaus zum Chillen: Die 60-Mann-Agentur Spirit Link Medical aus Erlangen macht vor, wie das auch wirtschaftlich funktionieren kann. "Erfolg verglücklichen" nennt es ihr Chef.
Bezahlte Überstunden, fixe Sabbatical- und Elternzeitregelungen, ein Baumhaus zum Chillen: Die 60-Mann-Agentur Spirit Link Medical aus Erlangen macht vor, wie das auch wirtschaftlich funktionieren kann. "Erfolg verglücklichen" nennen es die Chefs. Oder in Langform: "Wir leben eine Unternehmenskultur, die persönliches Glück und unternehmerischen Erfolg miteinander verbindet".
Markus Hanauer ist einer der drei Geschäftsführer und Mitgründer der Healthcare-Agentur. Auch er verschwindet gern mal im Baumhaus. Ausgestattet ist die Chill-Out-Zone mit Heizung, Decken, zwei Sofas und einem Hängesessel. Maßgaben, wie lange ein Mitarbeiter dort abtauchen darf, gibt es keine. Nur die: In den Räumen gibt es keine Störungen, kein Meeting, keine Telefonate und keinen Laptop. In der Regel sind es 20 Minuten, die dem Durchatmen, dem Power-Napping oder dem Jetlag-Ausschlafen dienen. Rund ein Drittel des Teams ist regelmäßig zu Gast im Baumhaus, das vor fünf Jahren errichtet wurde.
Noch mehr nutzen eine weitere Errungenschaft ihres Arbeitgebers: "Bei uns ist die Quote der Väter, die Elternzeit nehmen, sehr hoch. Sie liegt bei fast 100 Prozent. Das hat sich gut eingespielt und wird allgemein gut akzeptiert," sagt Hanauer. "Die Elternzeit soll bewusst Familienzeit sein. Da muss keiner extra für ein Meeting reinkommen." Auch Sabbaticals sind drin. Ellbogentypen hingegen nicht. "Bei uns gibt es wenig Ellbogenkultur. Die Leute müssen sich nicht verstellen. Es kann ein unglaublicher Energieschlucker sein, wenn man sich verstellen muss. Und das ist Energie, die uns dann fehlen würde, wenn es um Kreativität und Produktivität geht".
Eine weitere Seltenheit im Agenturbusiness: Seit zehn Jahren gibt es bei Spirit Link Medical eine konsequente Überstundenregelung. Entweder die Mehrarbeit wird in Freizeit abgegolten oder die Überstunden werden ausbezahlt. Dieses Jahr gibt es erstmals einen 25-Prozent-Zuschlag für die Überstunde. Ein Experiment, wie Hanauer betont, eine Art Incentive, damit die Überstunden vermehrt nicht nur abgefeiert werden. In Pitch-Zeiten kann sich Hanauer dann trotzdem auf den Teamgeist seiner Mitarbeiter verlassen.
80 Prozent aller Überstunden, schätzt er, verordneten sich seine Leute selbst. "Wir leben eine Eigenverantwortungskultur. Da passiert es eher, dass unsere Mitarbeiter von sich aus sagen: 'Hey Leute, lasst uns am Samstag noch was für den Pitch machen'." Vor 16 Jahren, als er die Agentur gründete, sei der Umgang mit Überstunden noch ein anderer gewesen. "Am Anfang waren wir noch sehr feuerwehrig unterwegs", doch spätestens als ihn eine Krankheit vor die Wahl stellte: Studium oder Agentur, sei ihm klar geworden, dass man mehr auf seinen Körper hören müsse. "Wir haben uns ziemlich bald daran gemacht, die Arbeitsbelastung runterzuschrauben."
Damit dies nicht nur hehre Floskeln sind, wie sie gern in Agenturen verbreitet werden, will Hanauer sie tatsächlich mit Leben füllen. Gegenüber dem Wettbewerb grenzt er sich deutlich ab. Viele klassische Agenturen hätten mit der Zeit Mechanismen entwickelt, die den Interessen der Mitarbeiter entgegen gerichtet sind. "Wir handeln nicht taktisch, sondern wir orientieren uns daran, was ist richtig für uns und was ist richtig für den Mitarbeiter."
Das bedeutet vor allem auch eines: Die Agentur fährt eine Null-Wachstum-Strategie. So könne man sich die Projekte selbst genau aussuchen. "So müssen wir keine Feuerwehrkunden mehr übernehmen, bei denen kommt meistens nichts Gutes raus." Stattdessen gebe es unterm Strich eine bessere Kundenstruktur und eine bessere Profitabilität. Und auch die Kreativität der Agentur profitiere von dieser Entscheidung, sagt er. Mehrere Comprix hat die Agentur schon eingeheimst, auch dieses Jahr ging ein Award nach Erlangen.
Den Erfolg führt Hanauer direkt auf seine Firmenkultur zurück. Er ist fest überzeugt: "Wenn meine Mitarbeiter als erwachsene Menschen behandelt und respektiert werden, dann arbeiten sie kreativer." Die Fluktuation der Agentur sei weitaus geringer als der Branchenschnitt, den der GWA mit 20 Prozent angibt: In Erlangen liegt er bei fünf Prozent.
Zumindest die Stimmen auf dem Arbeitgeber-Bewertungsportal Kununu scheinen das genauso zu sehen: "Das familienfreundlichste Unternehmen, das ich mir vorstellen kann" ist das Fazit eines Angestellten. Ein anderer schreibt: "Werte wie Ehrlichkeit, Respekt und Vertrauen werden im Alltag wirklich gelebt. Selbst beim Einstellungsprozess wird sehr darauf geachtet, dass die neuen Mitarbeiter zu den Werten der Firma passen".
In die Ecke des selbstlosen Chefs allerdings will sich Markus Hanauer gar nicht stellen lassen, denn er hat durchaus wirtschaftliche Interessen mit seinem Konzept: "Ich mache das nicht als Gutmensch, sondern aus Anstand und weil ich glaube, dass uns das als Firma besser macht."