Eine weitere Seltenheit im Agenturbusiness: Seit zehn Jahren gibt es bei Spirit Link Medical eine konsequente Überstundenregelung. Entweder die Mehrarbeit wird in Freizeit abgegolten oder die Überstunden werden ausbezahlt. Dieses Jahr gibt es erstmals einen 25-Prozent-Zuschlag für die Überstunde. Ein Experiment, wie Hanauer betont, eine Art Incentive, damit die Überstunden vermehrt nicht nur abgefeiert werden. In Pitch-Zeiten kann sich Hanauer dann trotzdem auf den Teamgeist seiner Mitarbeiter verlassen.

80 Prozent aller Überstunden, schätzt er, verordneten sich seine Leute selbst.  "Wir leben eine Eigenverantwortungskultur. Da passiert es eher, dass unsere Mitarbeiter von sich aus sagen: 'Hey Leute, lasst uns am Samstag noch was für den Pitch machen'." Vor 16 Jahren, als er die Agentur gründete, sei der Umgang mit Überstunden noch ein anderer gewesen. "Am Anfang waren wir noch sehr feuerwehrig unterwegs", doch spätestens als ihn eine Krankheit vor die Wahl stellte: Studium oder Agentur, sei ihm klar geworden, dass man mehr auf seinen Körper hören müsse. "Wir haben uns ziemlich bald daran gemacht, die Arbeitsbelastung runterzuschrauben."

Damit dies nicht nur hehre Floskeln sind, wie sie gern in Agenturen verbreitet werden, will Hanauer sie tatsächlich mit Leben füllen. Gegenüber dem Wettbewerb grenzt er sich deutlich ab. Viele klassische Agenturen hätten mit der Zeit Mechanismen entwickelt, die den Interessen der Mitarbeiter entgegen gerichtet sind. "Wir handeln nicht taktisch, sondern wir orientieren uns daran, was ist richtig für uns und was ist richtig für den Mitarbeiter."

Das bedeutet vor allem auch eines: Die Agentur fährt eine Null-Wachstum-Strategie. So könne man sich die Projekte selbst genau aussuchen. "So müssen wir keine Feuerwehrkunden mehr übernehmen, bei denen kommt meistens nichts Gutes raus." Stattdessen gebe es unterm Strich eine bessere Kundenstruktur und eine bessere Profitabilität. Und auch die Kreativität der Agentur profitiere von dieser Entscheidung, sagt er. Mehrere Comprix hat die Agentur schon eingeheimst, auch dieses Jahr ging ein Award nach Erlangen.

Den Erfolg führt Hanauer direkt auf seine Firmenkultur zurück. Er ist fest überzeugt: "Wenn meine Mitarbeiter als erwachsene Menschen behandelt und respektiert werden, dann arbeiten sie kreativer." Die Fluktuation der Agentur sei weitaus geringer als der Branchenschnitt, den der GWA mit 20 Prozent angibt: In Erlangen liegt er bei fünf Prozent.

Zumindest die Stimmen auf dem Arbeitgeber-Bewertungsportal Kununu scheinen das genauso zu sehen: "Das familienfreundlichste Unternehmen, das ich mir vorstellen kann" ist das Fazit eines Angestellten.  Ein anderer schreibt: "Werte wie Ehrlichkeit, Respekt und Vertrauen werden im Alltag wirklich gelebt. Selbst beim Einstellungsprozess wird sehr darauf geachtet, dass die neuen Mitarbeiter zu den Werten der Firma passen".  

In die Ecke des selbstlosen Chefs allerdings will sich Markus Hanauer gar nicht stellen lassen, denn er hat durchaus wirtschaftliche Interessen mit seinem Konzept: "Ich mache das nicht als Gutmensch, sondern aus Anstand und weil ich glaube, dass uns das als Firma besser macht."


Autor: Anja Janotta

seit 1998 bei der W&V - ist die wohl dienstälteste Onlinerin des Hauses. Am liebsten führt sie Interviews – quer durch die ganze Branche. Neben Kreativ- und Karrierethemen schreibt sie ab und zu was völlig anderes - Kinderbücher. Eines davon dreht sich um ein paar nerdige Möchtegern-Influencer.