Gastbeitrag:
Agenturen ohne Indianer: Heiko Burrack zur Mindestlohn-Debatte
Der Berater Heiko Burrack hält die aktuellen Beiträge zur Mindestlohn-Debatte aus den Reihen der Agenturen für ziemlich gefährlich und schädlich. Viele junge Leute drohten dadurch endgültig ihr Interesse an der Branche zu verlieren. Ein Warnruf.
Der Frankfurter Agenturberater Heiko Burrack hält die aktuellen Beiträge zur Mindestlohn-Debatte aus den Reihen der Agenturen für gefährlich und schädlich. Viele junge Leute drohten dadurch endgültig ihr Interesse an der Branche zu verlieren. Lesen Sie hier Burracks exklusiven Gastbeitrag für W&V Online. Es handelt sich dabei auch um eine Art Replik auf den vor zwei Tagen erschienenen Beitrag "Ohne Praktikum wäre ich heute Steuerberater" von Saatchi & Saatchi-Chef Christian Rätsch.
Von Heiko Burrack
"Momentan wird intensiv über den geplanten gesetzlichen Mindestlohn diskutiert. Darüber, welche Dauer für Praktika in Werbehäusern angemessen ist und ob Agenturen ihre Praktikanten bezahlen sollen.
Unabhängig davon, wie in diesem Zusammenhang die Antwort genau ausfällt oder welche Ausnahmen vom Mindestlohn der Bundestag am Ende beschließen wird, glaube ich, dass die Agenturen derzeit einen ganz großen Fehler machen. Mit ihrer nach außen ziemlich einseitig-positiven Darstellung der unbezahlten Praktika (zuletzt etwa von Saatchi & Saatchi-Chef Christian Rätsch in einem W&V-Gastbeitrag) fügen sie ihrer ohnehin image-geschädigten Branche einen enormen zusätzlichen Schaden zu.
Das ist vor allem deswegen so bedauerlich, weil aus meiner Sicht die Agenturen zu den spannendsten Arbeitgebern überhaupt zählen. Wo lernt man schon so viele interessante Menschen kennen wie hier? Und wo kann man dazu noch mit diesen Menschen so kreativ und mit sichtbarem Ergebnis zusammenarbeiten?
Mit der Zunahme der Internetfirmen ist die Anzahl der Unternehmen, die sich um die gleichen Mitarbeiter wie die Agenturen bemühen, stark angewachsen. Parallel dazu ist das Renommee der Agenturen als Arbeitgeber gesunken. Wenn es schon mehr Wettbewerb gibt und der Ruf dieser Branche sich nicht verbessert hat, warum gießt man mit einer solchen Diskussion noch zusätzlich Öl ins Feuer? Mir ist das völlig unerklärlich. Und ich finde es ehrlich gesagt sehr traurig.
Anstatt in Konventionen zu verharren, wäre doch genau jetzt der richtige Augenblick, um über Veränderungen der Prozesse und Strukturen nachzudenken. Keine Frage: Es gibt heute mehr Agenturen, die den Workload ihrer Mitarbeiter deckeln und wirklich fair mit ihnen umgehen. Doch mit den zahlreichen Jubelarien auf die unentgeltlichen Praktika schrumpft die ohnehin schon kleiner gewordene Anzahl der potenziell interessierten jungen Leute noch weiter. Mit einem „Weiter so“ für „umme“ bekommt diese negative Entwicklung noch mehr Fahrt. Nachdem schon vor Jahren vor allem der personelle Mittelbau der Agenturen ausgedünnt wurde, wird es künftig also auch immer weniger Indianer geben. Was bleibt dann überhaupt noch übrig?
Mir geht es am allerwenigsten darum, die moralische Keule zu schwingen. Inhaltlich ist in der Mindestlohn-Debatte ohnehin von allen Seiten schon alles gesagt. Ich glaube, dass man einfach differenzieren muss. Ein Schüler- oder Studentenpraktikum überhaupt zu vergüten, finde ich sehr fragwürdig. Diese jungen Leute haben schließlich keine oder sehr wenig Praxiserfahrung. Agenturen müssen sie vielmehr an die Hand nehmen, und dabei kommt es auch zu Störungen im Arbeitsablauf.
Sprechen wir allerdings von Praktikanten, die ein Studium oder eine Ausbildung an einer Akademie abgeschlossen haben und nach einer Einarbeitung eine vollwertige Arbeitskraft darstellen, dann finde ich ein unentgeltliches Arbeiten mehr als schwierig. Über die Frage, wie hoch die Vergütung ausfallen sollte, kann man sich trefflich streiten. Deutlich unter dem jetzt geplanten 8,50 Euro-Mindestlohn sollte die Entlohnung aber nicht liegen. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass solche Praktika mindestens über einen Zeitraum von einem halben Jahr angeboten werden.
Wie schön es doch wäre, wenn es der Werbebranche einmal gelänge, die gesamte Nachwuchs- und Mindestlohndebatte für konstruktive Anstöße zu nutzen, welche die Agenturen am Ende auch mal in positiverem Licht erscheinen lassen. Das kann eigentlich nicht so schwer sein. Diese spannende Branche hätte es wahrlich verdient."
Über den Autor:
Heiko Burrack (geb. 1967) schloss 1995 sein BWL-Studium mit dem Schwerpunkt Marketing an der Uni Göttingen ab. Danach arbeitete der Diplomkaufmann in der Kundenberatung unterschiedlicher Agenturen (Dorfer Dialog, McCann-Erickson). Im Jahr 2003 gründete er in Frankfurt die Agenturberatung Burrack NB-Advice. Er ist auch Autor diverser Bücher zu dem Thema.