Honorare für Kreative:
15 Euro Hohn: Wie Texter im Preis gedrückt werden
Gute Texter gibt es nicht viele. Sie dürfen gerne auch Quereinsteiger sein, denn wer mit Worten kann, der kann Karriere machen. Denkt man. Fehlgedacht. Wer mit Worten kann, kann mich mal, denken wohl leider sehr viele Agenturmanager. Jochen Kalka über neue Hungerlöhne für Kreative.
Texter werden händeringend gesucht. Denn gute Schreiber gibt es nicht viele. Wortakrobaten dürfen gerne Quereinsteiger sein, denn wer mit Worten kann, der kann Karriere machen. Denkt man. Fehlgedacht. Wer mit Worten kann, kann mich mal, denken wohl leider sehr viele Agenturmanager.
Die Ausbeutung von Textern nimmt immer dramatischere Formen an. Bislang lief die Bezahlung in Tagessätzen. Klingt vernünftig, war es auch, wäre es auch heute noch. Aus den Tagen wurden irgendwann Stunden. Denn, was sich in Sekunden liest, dichtet man doch lässig in Stunden – wer braucht schon Tage für geistige Leistung? Ja, so in etwa denken manche Chefs.
Nach Stundensätzen rechnen in den meisten Agenturen Grafiker ab. Das lässt sich ja auch meistens noch relativ klar nachvollziehen. Aber auch nicht immer. Eine mutmaßlich schwäbisch-schottische Mafia weiß die Branche noch mehr auszupressen und zwingt den Kreativen oft Festpreise auf. Mit Festen und Feiern hat das nichts zu tun, eher mit unmoralischen Angeboten, die oft aus einer gewissen Not heraus nicht abgelehnt werden können.
Doch, Vorsicht, es kommt noch schlimmer. Nein, es ist nicht die sekundengenaue Abrechnung, die Texter jetzt großzügig angeboten bekommen, sondern eine Bezahlung nach Worten. Ein kalkaresker Witz? Nein, leider die Wahrheit. Bezahlung nach Worten in der Werbebranche. Man kann das nicht glauben.
Ein Texter aus Hamburg rechnete vor: Eine gute Copy hat im Schnitt 650 Anschläge. Das sind rund 150 Wörter. Nehmen wir den aktuellen "Spitzensatz" von 10 Cent pro Wort, kommt man auf 1500 Cent, was 15 lächerliche Euro sind. Zum Vergleich: Bisher werden für diese Textlänge ungefähr 300 Euro berappt.
"Ich komme mir langsam vor wie ein Mexikaner, der morgens an der Hauptstraße mit Arbeitshandschuhen und ´ner Schaufel steht und darauf wartet, dass irgendwer mit ´nem Pickup vorbeikommt und Hilfe braucht, für ein paar Pesos oder ´nen Maiskolben auf die Faust", schreibt mir ein anderer Texter. Den Wert dieses Zitats können wir auf 4,10 Euro berechnen.
Ein Hamburger Wortarbeiter sagt: "Ich würde lieber für 30 Cent pro Liter Kühe melken. Aber das wird hier in Hamburg noch weniger angeboten!"
Der Umgang mit der hohen Kunst an Wortwundern ist oft wirklich gruselig: Zuweilen werden Festpreise für Textideenpakete beschlossen. Das wird wirklich so genannt, "Festpreise für Textideenpakete". Hier wird dann zum Beispiel vier Wochen nach der Lieferung des Wortmaterials geantwortet: "Bei den Headlines war noch nichts dabei. Bei dem Preis ist ja wohl nochmal eine Runde drinnen. Gerne bis morgen!"
Sehr gerne doch. Idiot.
Eine andere Variante: Der Kunde überweist den Betrag nach Gusto. Und zwar erst nach vier Monaten. Oder es werden weitere Textblöcke verlangt. Weitere Claims. Weitere Bildunterschriften, weitere Vorspänne – und so geht es ewig weiter. Um am Ende zu sagen: So dolle war das ja wohl nicht – und es werden einige hundert Euro weniger überwiesen.
Ein letztes Beispiel noch: Ein Profi mit 20 Jahren Agenturerfahrung sollte für eine große süddeutsche Automarke einen Tag lang durchtexten. 2000 Zeichen komplexe Zusammenhänge verständlich darstellen. Am Ende gab es dafür nicht einmal 10 (in Worten: zehn) Euro. Auf die Frage des Texters hin, warum die Firma das mache, kam die Antwort: "Wir sind dringend auf das Geld angewiesen!"
Armes Deutschland!