Studie:
Die Kunst der TV-Werbung: Wie Stimmungen und Kontext wirken
Bin ich noch betriebsam oder schon im Chill-Modus? Zwischen Nutzungssituation, Spotkreation und Werbewirkung besteht ein Zusammenhang. Wie der genau aussieht, erläutern Daniel Reiner von RTL und Stefan Schönherr von Eye Square.
Aktuelle Screenforce Studie: Mapping the Impact
Die preisgekrönte Medienstudie zeigt, wie das Fernseherlebnis in der Realität aussieht und wie Werbung in die verschiedenen Nutzungssituationen der Zuschauer passt. Wie schauen Menschen fern? Was machen Sie nebenbei? Welche Stimmungen und Nutzungsinteressen gibt es und wie passt Werbung in diese Settings? Mithilfe einer großen Medienethnografie schaut Screenforce mitten in die Wohnzimmer der Deutschen, Österreicher und Schweizer. Aufmerksamkeits- und Aktivierungsmessungen in verschiedenen Tages- und Wochenzeiten sowie eine großangelegte Werbewirkungsforschung schaffen einen einzigartigen Einblick in das Erlebnis Fernsehen. Daniel Reiner von RTL und Stefan Schönherr von Eye Square erklären Hintergrund, methodische Feinheiten und Anwendungsmöglichkeiten der Studie und beleuchten dabei auch ihre Rollen als Markt- und Medienforscher in diesem State-of-the-Art Media-Research-Projekt.
Herr Reiner, die Screenforce-Studien bauen seit mehreren Jahren konsequent aufeinander auf. Bevor wir auf die aktuelle Studie „Mapping the Impact“ zu sprechen kommen: Holen Sie uns doch noch einmal kurz ab, was das Kernergebnis der Vorgänger-Studie „Mapping the Moods“ war?
Daniel Reiner: Fernsehen ist nicht gleich Fernsehen. Wir konnten in der Studie zeigen, dass es eine riesige Palette an Stimmungen und Kontexten gibt, in denen Fernsehen geschaut wird. Und Werbung bekommt innerhalb dieser “Moods“ eine bestimmte Klangfarbe. Stimmung und Kontext beeinflussen, wie wir Werbung und bestimmte Werbeelemente wahrnehmen. Daher kann die Betrachtung solcher Nutzungsmuster die Mediaplanung sinnvoll ergänzen.
Herr Schönherr, Sie haben seitens Eye Square die „Mapping-Studienreihe“ begleitet. Bevor wir auf die Ergebnisse im Detail eingehen, verraten Sie uns doch bitte ein paar Insights zur Methodik.
Stefan Schönherr: Die Methodik spielt bei dieser Studienreihe tatsächlich eine große Rolle. 285 Teilnehmende in Deutschland, Österreich und der Schweiz haben wir für unsere Medienethnographien rekrutiert. Darunter versteht man die fundierte Erfassung des Mediennutzungsverhaltens von Studien-Probanden in ihrem gewohnten Umfeld. Der Vorteil dieses Verfahrens: Das Rezeptionsverhalten wird möglichst ungestört und damit realitätsnah abgebildet. Dafür erhielten die Teilnehmenden die komplette Technik – Laptop, Smartphone, Webcam, Messgerät für den Hautleitwert – kompakt in einer Box zum Selbstaufbau zuhause.
Ein Studienleiter kontrollierte via Smartphone die korrekte Installation der Technik. Über eine Webcam wurde ermittelt, ob sich die Teilnehmenden dem Bildschirm zuwenden. Außerdem wurde über die Aufnahme des Gesichtsausdrucks mittels KI-Technologie die emotionale Verfassung abgeleitet. Eine Onlinebefragung, in der klassische Werbewirkungsparameter wie Werbeerinnerung und Kaufabsicht ermittelt wurden, rundet das Studiendesign ab.
Das Besondere an diesem Studiendesign ist also vor allem das gewohnte Umfeld, in dem die Teilnehmenden agieren und dass nicht extra ein Studienleiter ins Wohnzimmer der Probanden kommen muss, was zeitintensiver und kostspieliger wäre.
Stefan Schönherr: Ja, völlig korrekt. Damit einher gehen die hohen Teilnahmezahlen, die dieses Verfahren möglich macht. Wir haben es erstmals vor drei Jahren inmitten der Corona-Hochphase im Rahmen der Screenforce-Studie „Track the Success“ eingesetzt und haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht. In Summe umfasste die aktuelle Untersuchung über 1000 Media-Session und mehr als 8300 Werbekontakte. Es ist damit die bislang größte Untersuchung dieser Art im DACH-Raum.
Herr Reiner, eine Studie auf den Punkt zu bringen, ist nie einfach. Versuchen Sie es doch trotzdem einmal.
Daniel Reiner: Unsere diesjährige Studie „Mapping the Impact“ knüpft an die Vorgängerstudie an und untersucht, wie TV-Werbung in unterschiedlichen Szenarien der Fernsehnutzung wirkt und welche Art der Kommunikation jeweils am besten funktioniert.
Ein Kernergebnis: TV-Werbung hat grundsätzlich eine starke Wirkung, kann jedoch unter Berücksichtigung der Verfassungen der Zuschauer:innen und dem Einsatz der passenden Spotmerkmale noch optimiert werden und damit einen deutlichen Uplift in der Werbewirkung erzielen.
Ein Beispiel bitte:
Daniel Reiner: Wer nachmittags fernsehen schaut, tut dies oft in einer Stimmung, in der der Alltag sehr präsent ist – die Kinder werden beaufsichtigt, der Boden gewischt, Arbeitsmails verfasst oder private Nachrichten beantwortet – zu diesem, von uns getauftem, „Busy-Day“-Mood passt eben auch lebensnahe Werbekommunikation: Alltagsexperten wie zum Beispiel ein kochender Hausmann oder tüftelnde Heimwerker:innen vermitteln diese Lebensnähe. Kreationen, die solche Elemente einbringen, werden im „Busy-Day“-Szenario besser erinnert.
Ein anderes Beispiel: Im „Work is Done“-Szenario haben die TV-Zuschauer bereits Feierabend, der Alltag liegt bereits hinter ihnen und sie sind in positiver Stimmung. Hier kommen Werbespots gut an, die diese Stimmung berücksichtigen – etwa humorvolle Spots oder jene, die mit bekannten Songs arbeiten.
Eine der weiteren Erkenntnisse der Studie ist, dass das Markenimage beim Einsatz von Humor profitiert. Aber wie ist es mit der Glaubwürdigkeit der Markenbotschaften? Leidet diese nicht darunter?
Stefan Schönherr: Keinesfalls! Wir konnten sogar feststellen, dass humoristische Elemente das Interesse an einer Marke wecken. Das ist übrigens nur eine von weiteren Erkenntnissen, die die Studie zu Tage förderte. Ebenso spannend ist es beispielsweise, dass starke Tonspuren in Spots grundsätzlich gut funktionieren und daher ratsam sind. Bekannte Songs kommen dabei besonders gut an.
Mit der aktuellen Studie ist die Arbeit noch nicht ganz abgeschlossen. Sie haben bei den Screenforce Days ein Tool angekündigt, mit dem Werbetreibende selbst aktiv arbeiten können. Was hat es damit auf sich und wo stehen Sie bei diesem Projekt?
Daniel Reiner: Wir wollten die Ergebnisse, die uns Eye Square mit dieser Studie zur Verfügung gestellt hat, gerne jedem, der sich für die Optimierung der eigenen Werbekommunikation interessiert, zugänglich machen – einfach und verständlich.
Mit unserem Matching-Tool „Match Your Ad”, können Werbetreibende auf unserer Website unter dem Reiter „Research“, in wenigen Schritten analysieren, in welchem Wirkungskontext ihr Spot die stärkste Awareness entfaltet. Dafür müssen sie einfach nur die Merkmale des Spots definieren und können dann direkt ablesen, wie dieser in die einzelnen Nutzungssettings passt. Eine Grafik zeigt daraufhin automatisch an, welche Uplifts aufgrund der Spotmerkmale auf den verschiedenen KPIs zu erwarten sind. Wer es gleich ausprobieren möchte, hier der link: Match Factor | Screenforce - LIVE
Daniel Reiner, Expert Product Strategy, RTL Deutschland, Screenforce
Daniel Reiner gehört als Werbewirkung- und Mediennutzungsexperte in Diensten von RTL Deutschland auch zum Forscherkreis von Screenforce und ist in dieser Rolle an der Konzeption ihrer Gattungsstudien und Forschungsaktivitäten beteiligt. Seine berufliche Karriere begann er beim Agenturnetzwerk GroupM, wo er sich auf dem Feld der Werbewirkungsforschung spezialisierte und diverse Kundenstudien zur Werbewirksamkeit geplant und umgesetzt hat. Seit 2020 arbeitet er für RTL Deutschland für den Bereich RTL Data.
Stefan Schönherr, Vice President & Partner Unit Brand & Media Experience, eye square
Stefan Schönherr arbeitet seit 2007 als Marken- und Medienspezialist in der Unit Brand & Media Experience bei Eye Square, leitet diese seit 2013 und ist seit 2018 Partner bei Eye Square. Er ist Diplom-Psychologe mit den Schwerpunkten Medienberatung, Werbewirkung und Medienrezeption. Stefan Schönherr betreut Werbetreibende und Vermarkter mit Studien zum Verständnis von Mediengattungen, Werbeformaten und Kreationsleistungen.
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